Stevani Fuhlrott mit Christiane Hagn - Wenn mich jemand sucht – ich bin im Kühlschrank
Jahren, aber wehe, ich werde länger als nur einen Moment schwach. Wehe, ich schaffe es in den nächsten 24 Stunden nicht, einen groben Ausrutscher wieder auszugleichen. Wehe, ich lasse mich ein paar Tage am Stück gehen. Dann kommt prompt die Rechnung: Zack, sind quasi über Nacht fünf Kilo mehr an meinem Hintern! Und das ist keine irrationale Angst, sondern vielmehr ein empirisch bewiesener Fakt. Schließlich habe ich das oft genug selbst erlebt.
Es gibt Tage, sogar Wochen, da spüre ich die Hanteln gar nicht. Doch an anderen Tagen scheinen sie mich förmlich in die Knie zu zwingen. Vielleicht ist auch das wieder mit ehemaligen Rauchern vergleichbar. Selbst wenn man die Sucht endlich besiegt hat, ist man (so hörte ich von ehemaligen Rauchern) sein Leben lang nicht gefeit vor der Lust, nur noch einmal eine zu rauchen, nur eine einzige. Vielleicht will man sogar nur mal kurz ziehen. Meist passiert das dann, wenn man sich der Sucht fälschlicherweise überlegen fühlt. Doch tief im Innersten wissen Sie es genau: Wenn Sie nur einmal ziehen, hängen Sie wieder drin … in der Sucht. Und später vielleicht im Grab.
Daher ist das Halten des Gewichts meiner Meinung nach das Allerschwierigste beim Abnehmen. Und das betrifft nicht nur die Disziplin und Umstellung beim Essen, sondern vor allem das Umstellen von Denkprozessen.
Die größte Herausforderung für mich lag darin, mich selbst als normalgewichtige Frau wahrzunehmen. Das war und ist schwer. Schließlich war ich dreißig Jahre lang »der Hals ohne Ohren«, »Kloppsi«, »Fetti«, »Specki« oder eben einfach nur »die Dicke«. Mein Selbstbild ist in den letzten dreißig Jahren zu einem einzigen Zerrbild geworden. Und das wieder umzustellen, ist schwieriger als gedacht. Selbst als ich mein Gewicht reduziert hatte, fühlte ich mich sehr lange immer noch unwohl. Ich war stets unzufrieden – egal ob mit hundert oder 65 Kilo. Wenn ich in den Spiegel blickte, sah ich einen Pottwal in weißen Hosen. Sogar als ich in Kleidergröße 38 passte, allmählich Vertrauen zu meinem neuen Körper gefasst hatte, mich morgens nach dem Ankleiden »halbwegs« wohlfühlte, war spätestens mittags wieder der Punkt erreicht, an dem die Zweifel zurückkamen.
Dann folgte das bekannte Kopfkino: »Es kann doch nicht sein, dass ich plötzlich in eine 38 passe! Das ist bestimmt falsch ausgeschrieben. Oder: Wo hat sich mein Fett denn heute versteckt? Ah, im Gesicht! Oder: Oh Gott, was schwimmt da in meiner Wanne? Oh, meine Oberschenkel.
Ich fand mich immer noch fett. Mein Gehirn kam meinem Körper trotz langsamer Umstellung nur schwerlich nach. Ganz oft gab es Situationen, in denen ich mein Spiegelbild zwar sah, aber nicht »erkannte«. So dachte ich zum Beispiel einmal beim Schaufensterbummel: Wieso grinst mich denn diese Blondine an? Oh, das bin ja ich!
Selbstzweifel waren meine ständigen Begleiter, mein unerschöpfliches Frustrationspotenzial. Um diesem Teufelskreis zu entfliehen, dachte ich mir folgende List aus: Wenn ich mich morgens super fühlte, stellte ich mich vor den Spiegel und schoss ein Foto. Wenn dann mittags das Teufelchen sagte: »Stevi, du kleine fette Sau! Schau dich mal an! So, wie du aussiehst, kannst du auch gleich zur Frittenbude gehen und dir ’ne Mantaplatte holen! Da kommt’s nun auch nicht mehr drauf an!«, holte ich das Foto raus und schaute es an. Natürlich sah ich ganz normal und sogar schlank darauf aus. Ich war beruhigt und der Teufel beleidigt und vertrieben … bis zum nächsten Tag. Also ging das ganze Prozedere wieder von vorn los. Auf diese Weise lernte ich, meinen »neuen« Körper zu akzeptieren und das Teufelchen öfter mal zu überhören beziehungsweise zu überlisten.
Ich glaube, dass vielen Menschen erst bewusst wird, wie schlank sie eigentlich waren und wie glücklich sie hätten sein können, nachdem sie erneut zugenommen haben. Oder um es mit den Worten von Françoise Sagan zu sagen: »Man weiß selten, was Glück ist, aber man weiß meistens, was Glück war.«
Das Halten des Gewichts ist also eigentlich der anstrengendste und langwierigste Teil des Abnehmens. Daher ärgert es mich immer besonders, wenn in Diätratgebern Augenwischerei betrieben und das Abnehmen als die großartige Sache beschrieben wird, wohingegen das Halten des Gewichts wenig Beachtung findet, gar nicht erwähnt wird oder als etwas beschrieben wird, was unproblematisch ist. Abnehmen macht im Grunde keinen Spaß. Das ist bekannt. Aber das Halten des Gewichts ist
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