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Stieber - Der Spion des Kanzlers Roman

Titel: Stieber - Der Spion des Kanzlers Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Brenner
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Verhörführer gefürchtet ist. Schwarck gab sich Mühe mit mir, er wollte wissen, wo meine dienstlichen Akten versteckt
     sind.«
    »Ihre dienstlichen Akten? Was will man damit?«
    »Es handelt sich dabei weniger um die Aufzeichnungen zu den laufenden Fällen. Die Herren suchen den Fundus.«
    »Fundus? Über welchen Fundus verfügt die Berliner Polizei?«
    »Er wurde mir von meinem Polizeipräsidenten übergeben. Von Karl Ludwig Friedrich von Hinckeldey. Sie haben von ihm gehört?«
    Lamartine schüttelte den Kopf.
    »Es war vor gut zehn Jahren, also Ende der Fünfziger. Damalswar man höheren Ortes äußerst beunruhigt über die horrenden Schulden, die preußische Offiziere in Berliner Spielclubs machten.
     Die Herren waren dadurch erpreßbar geworden. In einem spektakulären Fall lieferte ein junger Leutnant der königlichen Schloßwache,
     ein gewisser Wagner, sogar regelmäßige Dossiers über die preußische Militärpolitik an den ›Bremer Weser Kurier‹. Wagner prahlte
     damit in einem Bordell, dessen Chefin mich informierte. Ich habe ausgezeichnete Kontakte in diesen Kreisen, müssen Sie wissen.«
    »Ich habe davon gehört.«
    »Als der König in der Bremer Zeitung lesen mußte, was er im vertraulichen Gespräch über seine Pläne zur Aburteilung von Pressevergehen
     geäußert hatte, war das Maß voll. Der König gab mir den Auftrag, die bis zu tausend Prozent hochgetriebenen Wucherzinsen,
     die die Offiziere bei Geldverleihern hatten, geräuschlos zu tilgen. Ich stellte den Wucherern frei, entweder auf die Zinsen
     zu verzichten oder wegen Wucher abgeurteilt zu werden. Gleichzeitig hoben wir einen Spielclub nach dem anderen aus. Bei einer
     dieser Aktionen im Tiergartenviertel stürmte der Polizeipräsident als erster in den Saal und beschimpfte den Betreiber als
     einen Verbrecher am Staat. Dieser Herr von Rochow-Plessow, ein stadtbekannter Schnösel, forderte Hinckeldey daraufhin zum
     Duell. Auf dem alten Berliner Friedhof traten die beiden gegeneinander an: von Rochow-Plessow, ein hervorragender Schütze,
     mit seiner langläufigen, großkalibrigen Reiterpistole, Hinckeldey mit der Dienstwaffe. Ich war als Unparteiischer dabei. Kurz
     vor dem Schußwechsel gab der Polizeipräsident mir ein Zeichen. Ich trat zu ihm hin, und er steckte mir heimlich einen kleinen
     Schlüssel zu. Falls er das Duell nicht überleben sollte, erklärte mir Hinckeldey, so hatte ich unverzüglich den Inhalt einer
     Kassette in seinem Schreibtisch zu vernichten. Von Rochow-Plessow forderte Hinckeldey auf, die Beleidigung zurückzunehmen.
     Der lehnte ab. Dem Beleidigten stand nach dem Reglement der erste Schuß zu; er schoß Hinckeldey ins Herz.Hinckeldey war sofort tot. Noch während der Sekundant zum König eilte, um Meldung zu erstatten, schloß ich mich im Dienstzimmer
     des Polizeipräsidenten ein und öffnete die Kassette. Sie enthielt private Notizen über hohe und höchste Repräsentanten unseres
     Staates und allerlei diffamierende Briefe. Ich nahm das Material an mich.«
    »Obwohl Ihnen Ihr Polizeipräsident befohlen hatte, das Material zu vernichten!«
    »Lamartine, ich bin Geheimdienstler. Ich vernichte doch kein Material, das dem Staat nützen kann.«
    »Wo haben Sie es versteckt?«
    »Dort, wo niemand es sucht. Deshalb habe ich Sie hergebeten, Lamartine. Ich benötige dringend Hinckeldeys Dossiers. Meine
     Feinde lassen mich hier verrotten. Mit Hilfe des Materials aber komme ich frei und kann mich zur Wehr setzen.«
    »Wie kommen Sie darauf, daß ich Ihnen dabei helfen würde?« entgegnete Lamartine aufgebracht. »Sie wissen doch, daß ich nach
     Berlin gekommen bin, um Sie ins Gefängnis zu bringen. Was sollte mich also daran hindern, einfach abzureisen?«
    Stiebers Gesicht bekam den gleichen Ausdruck wie damals – als er Staatssekretär de Baule gedroht hatte, ihn füsilieren zu
     lassen. »Halten Sie mich bitte nicht für blöd – auch wenn ich derzeit in einer ziemlich hilflosen Lage bin! Lecoq ist in Berlin,
     und er wird nicht eher abreisen, bis er Sie in seiner Gewalt hat und Ihnen zu Hause den Prozeß machen kann. Ihre Landsleute
     werden Sie büßen lassen. Sie brauchen Sündenböcke für die Niederlage. Sie sind ein idealer Sündenbock. Ohne meine Hilfe sind
     Sie verloren, Lamartine!«
    »Was haben Sie mir zu bieten, Stieber?«
    »Ich erkläre mich bereit, mit Ihnen nach Paris zu reisen und vor Gericht auszusagen, daß Sie in der Affäre Franc keinerlei
     Schuld trifft und daß Sie unwissentlich zur

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