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Stieber - Der Spion des Kanzlers Roman

Titel: Stieber - Der Spion des Kanzlers Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Brenner
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Lamartine hart. »Bjerregaard ist ermordet worden – aber ich nehme an, das wissen Sie!«
    Er beobachtete Stiebers Reaktion genau: Entweder war der Preuße ein hervorragender Schauspieler oder aber er hatte wirklich
     nichts vom Mord an dem Schweden gewußt. Stiebers Augen wurden feucht.
    Lamartine trat aus der Zelle. Stieber schloß die Tür hinter ihm. Sogleich war der Uniformierte wieder zur Stelle und verschloß
     die Tür. »Es ist besser so für ihn«, erklärte er Lamartine.
     
    Draußen war es bereits dunkel. Auf der schmalen Straße zwischen dem Platz mit den beiden identischen Domen und der Magistrale
     hielt ein schwarzer, geschlossener Zweispänner neben Lamartine. Er trat aufs Trottoir, um den Aussteigenden Platz zu machen.
     Die Tür wurde aufgestoßen. Lamartine ging schneller.
    Der Kutscher pfiff. Lamartine drehte sich nach ihm um. Der Mann – eigenartigerweise in der blauen Uniform der Berliner Polizei
     – deutete mit dem Daumen über seine Schulter auf den Fond des Wagens. Lamartine ging zwei, drei vorsichtige Schritte auf die
     Kutsche zu. Ein fleischiger, runder Kopf erschien im Halbdunkel des Fonds, der Mann war glattrasiert und fast kahl – abgesehen
     von einem grauen Haarkranz. »Einsteigen!« befahl er.
    Lamartine brach der Schweiß aus. Das war seine Verhaftung, sie mußten ihn beobachtet haben. Er überlegte, ob er fliehen sollte,
     da knallte der Kutscher mit der Peitsche, und Lamartinezwängte sich erschrocken in die niedrige Kutsche. Der kahle Mann schlug die Tür zu, im gleichen Augenblick ruckte die Kutsche
     und fuhr los.
    Lamartine konnte kaum etwas erkennen. Zwei Männer saßen ihm gegenüber. Sie schwiegen. Lamartine roch den Atem des Mannes,
     der ihn aufgefordert hatte, einzusteigen. Er war ein Raucher dunkler Tabake.
    Als sie in die Magistrale einbogen, fiel etwas Licht in den Innenraum der Kutsche. »Ich bin Oberstaatsanwalt Schwarck«, sagte
     Lamartines Gegenüber. Der zweite Mann war jetzt auch zu erkennen. Er trug einen Kopfverband. Es war Lecoq – er lebte.
    »Sicher wissen Sie, warum ich Sie aufgegriffen habe«, fuhr Schwarck fort.
    »Nein, ich weiß nicht, was Sie von mir wollen, und ich weiß nicht, was Sie dazu berechtigt, mich auf offener Straße zu verhaften.«
     Lamartine gab sich Mühe, wie ein Ausländer zu klingen, der beabsichtigte, sich schnellstens bei der diplomatischen Vertretung
     seines Landes zu beschweren.
    Schwarck wischte Lamartines Protest mit einer Bewegung seiner schweren Faust weg. »Lassen Sie das affige Getue! Sie glauben
     doch nicht im Ernst, Ihr Besuch bei Stieber ist uns entgangen? Wir haben überall unsere Leute – selbst unter den wenigen,
     die dem Ex-Kriminaldirektor noch die Stange halten.« Jetzt wußte Lamartine, warum der Schließer, der ihn in den Innentrakt
     gelassen hatte, ihm nicht in die Augen hatte blicken können. »Wir haben wenig Zeit. Nur damit das klar ist: Es liegt ein formelles
     Auslieferungsgesuch Ihres Heimatlandes gegen Sie vor. Also los!«
    Lamartine sah Lecoq an. Der Chef der Politischen Polizei hatte den fahlen Gesichtsausdruck eines Schwerkranken. Er bewegte
     sich ächzend auf dem schmalen Platz, den ihm der massige Schwarck ließ. Dann sagte er mit vor Anstrengung krächzender Stimme
     auf französisch: »Sie haben sich eines weiteren Mordversuches schuldig gemacht, Lamartine. WennSie sich weiter sperren, kommen Sie nie wieder aus dem Gefängnis raus!«
    »Ich habe nichts mit dem Anschlag auf Sie zu tun!« wehrte sich Lamartine.
    »Halten Sie Ihren Mund!« fuhr Lecoq ihn an. »Sie haben diesen Stricher in der Schalterhalle auf mich aufmerksam gemacht. Sie
     wußten, daß er uns folgen und mich überfallen wird.«
    Schwarck, der dem Gespräch offensichtlich folgen konnte, legte seine Hand auf Lecoqs zitterndes Knie und sagte auf deutsch:
     »Dieses Subjekt ist polizeibekannt. Wir werden es binnen weniger Stunden dingfest machen.« Er wandte sich an Lamartine. »Monsieur
     Lecoq hat eine Aussage gemacht, die Sie schwer belastet. Sie wurden von ihm über der Leiche eines gewissen Bjerregaard angetroffen.
     Wir haben die Pedellwohnung in der Universität aufgesucht und Monsieur Lecoqs Angaben bestätigt gefunden. Es steht schlecht
     um Sie, Lamartine!«
    »Ich habe Bjerregaard nicht umgebracht!« protestierte Lamartine.
    »Wenn es zur Anklage kommt, werden Sie es schwer haben, Ihre Unschuld zu beweisen, falls Monsieur Lecoq seine Aussage vor
     Gericht wiederholt!«
    »Was wollen Sie von mir?«
    »Helfen Sie

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