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Stieber - Der Spion des Kanzlers Roman

Titel: Stieber - Der Spion des Kanzlers Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Brenner
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Geheimen Oberregierungsrat Mathies beim Ministerium des Innern, in welchem ich ersucht wurde,
     ihn am folgenden Tag mit größter Diskretion in einer dienstlichen Angelegenheit aufzusuchen.«
    Im Innenministerium kommt man ohne Umschweife zur Sache, der Staat hat es noch nicht nötig, seine Wege und Ziele zu vertuschen.
     »...   erhielt von Mathies die vertrauliche Mitteilung, daß die Provinzialbehörden in Schlesien einer Verschwörung von Bewohnern
     des Hirschberger Tales auf die Spur gekommen seien   ... der Minister des Innern, Graf von Arnim, hätte deshalb angeregt, mich nach Schlesien zu entsenden zwecks geheimer Führung
     von Recherchen nach den Verschwörern und deren Plänen   ...«
    Der Geheimagent war geboren. Mit der gleichen bodenständigen Begeisterung für das Machbare, mit der er gegen kleine und große
     Ganoven vorging, entwickelt Stieber seine erste Operation gegen politisch unliebsame Oppositionelle. Ohne daß ihm die geringsten
     Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Aktion kamen, scheint Stieber jedoch die Andersartigkeit seines neuen Aufgabengebietes erkannt
     zu haben. Anläßlich der Reise ins Hirschberger Tal tut der preußische Beamte zum ersten Mal etwas, was ganz und gar nicht
     zu seinem legitimistischen Selbstverständnis paßt: Er schlüpft in eine andere Identität. Stieber läßt sein Alter ego auferstehen:
     einen gewissen Herrn Schmidt, ein Durchschnittsmensch, der nicht übertrieben staatstragend, aber auch nicht rebellisch gesinnt
     ist. Ein typischer Biedermeierdeutscher, unauffällig, verschlossen, sympathisch, kunstsinnigund weitgehend apolitisch. Dementsprechend auch die Berufe, in denen er auftritt: Kunstmaler, Redakteur, Arzt   ...
    »...   noch an demselben Tag ließ ich mir vom Polizeipräsident einen Paß auf den Namen des Malers Wilhelm Schmidt ausstellen, der
     zur Ausübung seiner Kunst nach Hirschberg und Umgebung reise – ich beschäftigte mich in meiner freien Zeit tatsächlich ganz
     annehmbar mit Landschafts- und Portraitmalerei   ...«
    Schon bei seiner ersten großen, konspirativen Operation geht Stieber mit einer Kaltschnäuzigkeit und Gerissenheit zu Werke,
     die man vielleicht einem Doppelagenten im kalten Krieg zutrauen würde, aber keinem Berliner Referendarius in der Mitte des
     vorigen Jahrhunderts. Entweder wußte er nicht, in welchen politischen Untiefen er sich bewegte – oder er setzte eiskalt alles
     aufs Spiel, um in den Augen seiner hochgestellten Auftraggeber als der geeignete Mann für künftige, schwerere Aufgaben zu
     erscheinen. Stieber: »...   dort setzte ich mich gleich mit dem Denunzianten, einem Arbeiter Herrmann, in Verbindung, und zwar in einer ganz unverfänglichen
     Weise, daß ich ihn in meiner Unterkunft als Portraitmaler abkonterfeite   ...«
    Er erfährt von einer »Arbeiterverschwörung«, die die Reichen enteignen und ihre Güter unters Volk verteilen will. Eine Proklamation
     ruft zum Kampf gegen die unnatürliche Ungleichheit auf. Stieber ermittelt
undercover
den Fabrikbesitzer Schöffel als Verfasser und den Tischlermeister Wurm als Hauptmann. Er besticht den Arbeiter Herrmann, damit
     er in Schöffels Haus eindringt und dessen Schreibtisch ausraubt. Da sich außer Schöffels auffälligem Umgang mit Arbeitern
     nichts Belastendes ergibt, teilt Stieber per Kurier nach Berlin mit, er müsse noch weiter gegen den renitenten Fabrikanten
     ermitteln, das Material reiche für eine Gerichtsverhandlung noch nicht aus. Doch die Order aus Berlin widerspricht der Einschätzung
     des Agenten vor Ort. Oberregierungsrat Mathies befiehlt Stieber unmißverständlich: »Alle Genannten sind deshalb unverzüglich
     festzunehmen   ...«
    Der Preuße Stieber tut, was man ihm aufträgt – auch gegen sein besseres Wissen.
    Von den verhafteten Personen wurden sechs, darunter der Tischler Wurm, wegen Hochverrats unter Anklage gestellt, Wurm verurteilten
     die Richter zum Tode, die übrigen bekamen mehrjährige Zuchthausstrafen. Wurm wurde später zu lebenslänglichem Zuchthaus begnadigt.Eine Amnestie im Jahr 1848 brachte allerdings sämtlichen Verurteilten die Freiheit wieder.
    Der Ausflug des Kunstmalers ins Hirschberger Tal hatte ein parlamentarisches Nachspiel. Im Schlesischen Landtag brachte der
     Abgeordnete Milde die Verhaftungen zur Sprache und forderte, eine derartig operierende Geheimpolizei im Land nicht weiter
     zu dulden. Sein Antrag wurde mit nur vier Gegenstimmen abgelehnt. Dennoch bekam Geheimagent Stieber zum ersten

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