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Stieber - Der Spion des Kanzlers Roman

Titel: Stieber - Der Spion des Kanzlers Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Brenner
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Papier, lobte Danquart für
     die gute Arbeit und nahm eine Feder von seinem Schreibtisch.
    Bevor er zur Unterschrift ansetzte, wandte er sich an Danquart: »Sie sind ein gebildeter Mensch, lieber Danquart. HabenSie jemals von einem Wesen gehört, das einem Pferd ähnlich sieht, aber viel kleiner und von oben bis unten schwarzweiß gestreift
     ist?«
    Danquart sah ihn groß an. Lamartine verspürte Genugtuung: Er hatte den Mitarbeiter mit seiner Beobachtung beeindruckt. »Und?
     Was sagen Sie?« drängte er Danquart.
    »Ich sage: Sie sollten jetzt den Brief an den Untersuchungsrichter unterschreiben. Es eilt«, antwortete Danquart gereizt.
    »Sie haben also noch nie von einem solchen Tier gehört?«
    »Monsieur Lamartine, lassen Sie mich um Gottes willen mit ihrem gestreiften Pferd in Ruhe. Ich will um neun Uhr bei Gericht
     sein. Noch in dieser Woche soll die Verhandlung stattfinden. Spätestens Montag kommt die Suétens auf die Guillotine   ...«
    Lamartine legte die Feder wieder weg und steckte Danquarts Bericht in einen Aktenumschlag. Dabei zitterten seine Hände leicht.
    »Wenn ich eben meine Befugnisse überschritten und einen falschen Ton gewählt haben sollte, so möchte ich Sie bitten, es mir   ...« stotterte Danquart.
    »Keineswegs«, unterbrach ihn Lamartine in einem belanglosen Ton. »Ich will mir die Ermittlungsergebnisse bloß noch einmal
     in Ruhe ansehen. Schließlich geht es um den Kopf der Frau   ...«
    Danquart biß die Zähne zusammen. »Natürlich«, sagte er ruhig. Er wollte das Zimmer verlassen, drehte sich an der Tür noch
     einmal um. »Wie lange werden Sie benötigen?«
    »Ich teile Ihnen mit, wenn ich mit meiner Prüfung fertig bin«, antwortete Lamartine.
    Wieder klang es höflich und leidenschaftslos – so wie es immer klang, wenn Lamartines Geist hellwach war.
     
    Lamartine rührte die Akte der Kindsmörderin nicht an. Er verbrachte den ganzen Vormittag damit, ein Bild des schwarzweiß gestreiften
     Wesens zu zeichnen. Lamartine war kein besondersguter Zeichner, er mußte mehrmals ansetzen, drei Blätter landeten zerrissen im Papierkorb. Mit der vierten Zeichnung war Lamartine
     zufrieden, obwohl ihm der Kopf des Wesens im Verhältnis zum Körper zu klein geraten zu sein schien. Auch hätte er gerne die
     schwarzen Augen so gezeichnet, wie er sie – vor allem bei dem toten Tier – in Erinnerung hatte, aber bei Nuancen versagte
     seine Zeichenkunst.
    Lamartine machte sich mit der Zeichnung auf den Weg in den Keller. Unterwegs traf er auf Danquart, der sehr unterwürfig wirkte.
     Der junge Kollege hatte alle Unterlagen zum Fall der Kindsmörderin zusammengefaßt und drängte sie seinem Vorgesetzten auf.
     Dabei wiederholte er mehrmals: »Falls ich nachlässig gearbeitet habe, so sagen Sie es mir doch, Monsieur Lamartine!«
    Der Inspektor hatte fast Mitleid mit ihm. Fast. Er nahm die Akten an sich, dankte nickend und setzte stumm seinen Weg fort.
     Danquart rief ihm noch nach: »Natürlich halte ich mich heute den ganzen Tag für Sie bereit, Monsieur Lamartine!«
    Lamartine traf den Gerichtsmediziner Dr.   Granche in seinem winzigen Labor neben dem Seziersaal. Granche hatte ein Stück Gewebe von der Größe einer Zündholzschachtel
     mit Stahlnadeln auf dem Objektträger ausgespannt. Es sah aus wie ein für naturkundliche Studien weit gespreiztes Insekt. Granche
     beugte sich über das Mikroskop. Er schaute mit dem rechten Auge durch das Okular und legte mit einem Skalpell vorsichtig Schicht
     für Schicht frei.
    Lamartine räusperte sich und sagte: »Ich möchte Sie nicht stören   ...« Granche sah auf, offensichtlich war er so in die Arbeit vertieft, daß er Lamartines Klopfen überhört hatte. »Was wollen
     Sie denn schon wieder?!« fuhr Granche ihn an.
    Lamartine lächelte unsicher. Er wußte, daß Granche von allen Kollegen in Anspruch genommen wurde. Deshalb durfte er ihm seine
     Ruppigkeit nicht übelnehmen. Schließlich war er bei seinem Anliegen, das außerhalb der Pflichten des Gerichtsmediziners lag,
     auch auf das Wohlwollen Granches angewiesen.Er legte die Zeichnung neben das Mikroskop. Granche schob seine Brille, die er auf die Stirn gesetzt hatte, wieder auf die
     Nasenwurzel zurück und beugte sich über die Zeichnung. Er schüttelte den Kopf, schaute zu dem wegen der etwas kindlichen Zeichnung
     befangenen Lamartine hoch und fragte: »Was soll ich damit?«
    »Ich würde gerne wissen, was es darstellt«, antwortete Lamartine.
    »Ich bin ein Gerichtsmediziner und

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