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Stieber - Der Spion des Kanzlers Roman

Titel: Stieber - Der Spion des Kanzlers Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Brenner
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schwere Schuhe stampften auf den Boden.
    Der Mann stieß mit seinem Stock erneut zu. In der Kiste ertönten Schmerzensschreie, die Lamartine durch Mark und Bein gingen.
     Der Knecht auf dem Wagen schlug mit dem Hammer auf den Deckel der Kiste, worauf der Gefangene noch lauter aufschrie.
    Lamartine drückte seinen Oberkörper tiefer in die Nische, um besser in den Hof sehen zu können. Dann hörte er das Opfer der
     Knechte die Rampe herunterdonnern. Sehen konnte er nichts – außer den abwechselnd sich hebenden Stöcken der Knechte. Der Geschlagene
     fiel hin, schien sich aber schnell wieder aufzurappeln, obwohl er mit seinen schweren Schuhen auf dem steinernen Hofboden
     mehrmals ausrutschte, was Lamartine aus einem scharrenden Geräusch schloß.
    Der Polizist wußte, daß man ihn vom Hof aus nicht sehen konnte. Er versuchte, seinen Kopf aus dem winzigen Fenster hinauszustrecken,
     aber sein Rumpf war zu breit für die schmale Nische. Für einen Moment fürchtete er, sich in dem Toilettenfenster einzuklemmen;
     seine Rippen schmerzten schon, und er spürte eine unangenehme Beklemmung, die bei jedem Atemzug schlimmer wurde. Aber Lamartine
     geriet nicht in Panik; er vergaß den Schmerz und die Atemnot, er wollte sehen, was unten im Hof vor sich ging.
    Nun war der Mann von der Ladefläche heruntergesprungen und schlug mit seinem Stock auf sein Opfer ein. Der Geschlagene stieß
     kehlige Laute aus, die Lamartine noch nie bei einem Menschen gehört hatte. Er stampfte vor Schmerzen mit den Füßen auf den
     Steinboden. Es klang wie ein Tanz mit Holzschuhen. Einer der Knechte geriet in den Lichtkreis, der aus dem Kellerloch drang.
     Lamartine sah für eine Sekunde sein Gesicht. Es war tiefrot, und der Mann lachte breit: Es schien ihm zu gefallen. Er verschwand
     sofort wieder, und der kahlgeschorene Hinterkopf seines Kumpans leuchtete kurz hell auf.Dann ließen die beiden plötzlich von ihrem Opfer ab. Lamartine glaubte, Blut über die Steine rinnen zu sehen. Vielleicht hatte
     dieser Anblick die Knechte besänftigt   ... Lamartine hörte auf zu atmen, die plötzliche Stille in dem dunklen Hof schnürte ihm die Brust zu. Dann war ein leises,
     fast vorsichtiges Klicken der Holzschuhe auf dem Pflaster zu hören.
    Das Opfer torkelte. Es trat ins Licht. Lamartine konnte es ganz klar sehen. Vor allem weil es Streifen hatte. Es war schwarzweiß
     gestreift, und es hatte vier Beine und einen langgezogenen, knorrigen Schädel mit spitzen, nervösen Ohren. Das, was die Geräusche
     auf dem Steinboden verursacht hatte, waren keine Holzschuhe sondern Hufe.
    Noch nie hatte Lamartine ein solches Wesen gesehen. Am ehesten erinnerte es ihn an ein Pferd, aber Pferde waren größer und
     kräftiger, hätten sich auch nicht derart drangsalieren lassen – und waren vor allem nicht schwarzweiß gestreift. Das Geschöpf
     schnaubte und schüttelte seinen großen Kopf. Seine Nüstern blähten sich so weit auf, daß es aussah, als würden sie jeden Augenblick
     aufreißen. Dann verharrte das schwarzweiß gestreifte Ding, und zum ersten Mal kam Lamartine der Gedanke, daß er verpflichtet
     sein könnte, diesem Geschöpf zu Hilfe zu eilen. Es war zwar kein Mensch, aber ein Lebewesen, das litt.
    Er trug keine Waffe mit sich herum – die Handfeuerwaffen der Polizei waren unhandlich und wenig hilfreich, manchmal versenkte
     der glühende Pulverstaub dem Schützen sogar die Wimpern   –, aber vielleicht würden die Knechte sich scheuen, das Geschöpf in Anwesenheit eines Polizisten weiter zu quälen.
    Noch während Lamartine überlegte, wie er einschreiten könnte, geschah etwas in dem Lichtkreis, in dem das Geschöpf dampfend
     vor Angst stand und langsam den Kopf schüttelte: Die Knechte stürmten gleichzeitig los und warfen sich gegen das gestreifte
     Ding. Es stürzte wie eine Theaterattrappe um und fiel kreischend und mit allen vier Beinen gleichzeitigstrampelnd in das Kellerloch. Unten schlug es hart auf und verstummte augenblicklich.
    Die Knechte schlugen die Gitter über dem Loch zu, dann schoben sie die Rampe wieder auf das Fuhrwerk, sprangen auf, feuerten
     die Gäule an und fuhren schnell in den Durchgang zur Straße ein. Das Portal wurde aufgerissen, und die Räder klapperten über
     das Pflaster.
    Als Lamartine sich gerade aus dem Fensterloch befreit hatte und seinen verstaubten Überzieher abklopfen wollte, versperrte
     ihm eine kleine, alte Frau in einem Nachthemd den Weg. Sie hielt ihm eine flackernde Kerze ins Gesicht. »Was

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