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Stieber - Der Spion des Kanzlers Roman

Titel: Stieber - Der Spion des Kanzlers Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Brenner
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Danquarts Akte. Er las alles noch einmal sorgfältig durch und achtete vor allem auf
     die Zeugenaussagen, die die Suétens des Mordes an ihrem Kind überführen sollten. Aber zu mehr als dem vagen Gefühl, daß es
     entgegen seiner ersten Annahme doch irgendwo eine Schwachstelle gab, gelangte er immer noch nicht.
     
    Gegen halb vier Uhr klopfte es an Lamartines Tür, und Brunoy, der Vermieter des Toten aus dem Bois de Boulogne, trat ein.
     Der Veteran nahm Haltung an und schnurrte, er habe noch etwas zu dem Fall seines ermordeten Mieters beizutragen. Dabei zitterte
     sein Beinstumpf.
    Lamartine stand auf, bot ihm einen Stuhl an und bat ihn, weniger förmlich zu sein, schließlich befinde er sich in einer zivilen
     Behörde. Brunoy aber dachte nicht daran, sein militärisches Gehabe abzulegen. Er nahm auch den angebotenen Stuhl nicht an,
     sonderen wartete stumm, bis Lamartine wieder hinter dem Schreibtisch Platz genommen hatte. Dann erklärte der einbeinige Vermieter,
     er habe zwar schon beim ersten Gespräch an das gedacht, was er jetzt vorzutragen wünsche, aber er sei eben ein alter Militär
     und es falle ihm schwer, gegen Kameraden auszusagen, was der Tote schlußendlich ja gewesen sei, auch wenn er keiner regulären
     Einheit angehört hatte.
    Kurz und gut, ein Reflex der Fürsorge habe ihm den Mund verschlossen. Danach aber – als er darüber nachgedacht hatte – sei
     ihm der Gedanke gekommen, daß es im Interesse des Toten liegen könnte, wenn er der Polizei half. Hier schwieg der Mann, bis
     Lamartine ihn durch eine schroffe Handbewegung zum Fortfahren aufforderte.
    »Nun gut«, schnaubte Brunoy. »Mein Mieter war ein verdienter
partisan de guerre
, anders hätte er bei mir auch keine Wohnung bekommen. Zudem hatten ehemalige Kameraden mir ans Herz gelegt, ihn zu beherbergen.
     Wir   ... also meinMieter und ich, wir sprachen manchmal miteinander. Über unsere Kriegserlebnisse. Er erzählte mir, was er so getan hatte während
     der Besatzung. Ein toller Bursche, sage ich Ihnen: Mit einigen Kumpanen hat er noch vor wenigen Wochen hinter den deutschen
     Kampflinien eine Villa besetzt gehalten. So was war nicht ungefährlich. Die Preußen haben jeden Verdächtigen sofort erschossen,
     die haben eine Heidenangst vor Spionage. Von dort aus   ... also aus dieser Villa haben unsere Jungs Meldungen nach Paris gesandt   ... mittels einer Signalanlage. Die hatten sie wohl auf dem Dach versteckt. Irgendwelche Brettchen und allerlei Zeugs, das
     sie mit Seilzügen bewegen konnten. Raffiniert, nicht?«
    »Was für Meldungen?« fragte Lamartine.
    »Na was schon?!« fuhr Brunoy ihn an. »Truppenbewegungen natürlich. Ja, mein Mieter war ein Spion, einer, der seinen Hals für
     Frankreich riskierte. Hinter den feindlichen Linien. Um so erstaunter, ja wütender wurde ich, als er mir sagte, daß er sich
     nun als Hilfskoch verdungen hatte.«
    »Was ist schon dabei?« fragte Lamartine, der plötzlich befürchtete, den Rest des Nachmittags mit einem geschwätzigen Kriegsveteran
     zu vertun.
    »Was schon dabei ist?!« schnauzte der Alte ihn an. »Ich weiß ja nicht, wie Sie darüber denken   ... Meiner Meinung nach geht so was gegen das Ehrgefühl eines französischen Soldaten   ... dem Feind das Essen zu machen   ...«
    Lamartine horchte auf. »Er hat bei den Deutschen gearbeitet?«
    Der Rentner schnaubte: »Franc, habe ich zu ihm gesagt, hast du keine Angst, den feinen Herrschaften in die Suppe kotzen zu
     müssen? Aber er war ja immer schlauer als alle anderen. Er winkte bloß ab   ... Ich solle abwarten und dann nachdenken und nicht vorher Zeugs daherschwafeln, von dem ich nichts verstehe. In diesem Ton
     sprach der Herr Partisan mit mir. Mit einem verdienten Caporal der Grande Armée! Aber gut, was bringt es, über Tote herzuziehen   ... Im Grunde war er ein armesSchwein, vielleicht hat er auch das Geld gebraucht, um die Miete und seine Kleider zu zahlen   ... Rente bekommen diese Privatsoldaten ja nicht.«
    »Hat er denn im ›Le canard‹ nicht genug verdient, daß er nebenbei noch als Hilfskoch arbeiten mußte?«
    »Fragen Sie mich nicht, was er im ›Le canard‹ verdient hat. Er war ja erst ein paar Tage dort angestellt. Dafür ging er selten
     genug hin. Er behauptete immer, er müsse sich ›bloß mal blicken lassen‹. Wo hat man so was schon mal gehört! Sich ›bloß mal
     blicken lassen‹!? Wenn wir uns früher bei der Armee so aufgeführt hätten, würde es Frankreich längst nicht mehr

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