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Stieber - Der Spion des Kanzlers Roman

Titel: Stieber - Der Spion des Kanzlers Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Brenner
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dazugewinnen.
    Danquart war mit seiner Arbeit fast schon am Ende. Es gab zwei Zeugen, zwei Clochards, die unter der Brücke Pont-au-Double,
     gleich gegenüber von Notre-Dame, ihren Rausch ausgeschlafen hatten und geweckt wurden, als wenige Meter weiter eine Frau ein
     Bündel ins Wasser warf. Sie stellten sie zur Rede, wurden aber von ihr bloß angeschrien und weggeschickt. Am nächsten Morgen
     wurde etwa dreihundert Schritt flußabwärts, am Port des Saints Pères, ein totes Neugeborenes gefunden.
    Lamartines neuer Mitarbeiter hatte die beiden Männer nun einer Frau gegenübergestellt, die etwa zur gleichen Zeit von einem
     Anonymus angezeigt worden war, weil sie nach ihrer Schwangerschaft kein Kind vorzeigen konnte. Es handelte sich um die Lebensgefährtin
     des Schankwirtes Pierre Suétens, von der es hieß, sie sei früher, bevor der Wirt sie in sein Haus aufgenommen hatte, am Montmartre
     auf den Strich gegangen. Danquart hatte einen Stammgast der Wirtschaft befragt: Léontine war schwanger gewesen, aber ein Kind
     gab es nicht im Haus der Suétens   ... Daraufhin hatte der Polizist das Ehepaar festgenommen, den Mann aber wieder auf freien Fuß gesetzt, als sich herausstellte,
     daß er schon in einer früheren Ehe keine Kinder hatte zeugen können und sich an dem Abend der Tat auf der Hochzeit seiner
     Nichte in St. Maur befunden hatte.
    Danquart war zu der Ansicht gekommen, daß Léontine sich mit einem Fremden eingelassen hatte und schwanger geworden war. Lamartine
     mußte die Ermittlungsergebnisse bloß zu Ende denken: Vielleicht war der Vater des getöteten Kindes sogar der anonyme Anzeiger
     der Tat, vielleicht hatte Léontine, die als ruppig und eigensinnig galt und bei dem Wirt besser lebte als auf dem Strich,
     dem Fremden auch gesagt, er solle sie in Ruhe lassen, sie wisse, wo sie hingehöre. Vielleicht hatte der sich dadurch gekränkt
     gefühlt, vielleicht hatte er Léontine geliebt, vielleicht hatte er sich so auf das Kind mit Léontine gefreut wie Lamartine
     auf das Kind mit Jeanne.
    Lamartine fand Danquarts Ermittlungen überzeugend, er lobte ihn und wartete darauf, daß die beiden anderen Assistenten, zwei
     ältere, erfahrene Polizisten der Mordkommission, es ihm gleichtaten. Die aber saßen bloß da, hatten die Hände gefaltet, lehnten
     die Ellbogen auf die Knie und starrten auf ihre Füße.
    Lamartine gab Danquart die Erlaubnis, den Fall abzuschließen und dem Staatsanwalt zu übergeben. Dann bat er den Neuen, ihn
     ins Leichenhaus zu begleiten. Er wollte sehen, wasder leistete, wenn er sich seine Fälle nicht selbst aussuchen konnte.
    Der Inspektor beobachtete seinen jungen Kollegen genau, als sie die schwere Stahltür zur Gerichtsmedizin öffneten und ihnen
     der süßliche Geruch der Leichen entgegenschlug. Danquart verzog keine Miene, er war bleich, aber das war er immer.
    Doktor Granche trug eine Gummischürze, die blutverschmiert war. Er gab niemandem die Hand, sondern nickte bloß. Dann führte
     er die beiden Männer in einen der Säle.
    Ein Gehilfe des Mediziners spritzte den Fliesenboden des Saales mit einem Gummiwasserschlauch aus. Die beiden Polizisten,
     die keine Stiefel trugen, gingen auf Zehenspitzen, um sich die Straßenschuhe nicht mit Blut zu beschmutzen.
    Granche hatte den Mann aus dem Bois de Boulogne ausgeweidet. Die Teile, die er entnommen und unter dem Mikroskop zerschnitten
     hatte, lagen schwarz von geronnenem Blut in der Rinne. Der Gehilfe schob sie mit bloßen Händen zusammen und drückte sie dann
     in einen breiten Abfluß wie in eine Fleischmaschine. Danquart schaute dem Gehilfen interessiert zu, ohne daß sein Gesicht
     eine Spur von Ekel zeigte.
    Granche trat zu der Leiche und machte eine Handbewegung über sie hinweg, es sah aus, als segnete er sie. Er sagte: »Der ganze
     Körper steckt voller Gift. Wir hatten so was noch nie hier, nicht wahr, Pierre?«
    Der Gehilfe murrte Zustimmung.
    »Es muß eine ziemlich große Menge gewesen sein«, fuhr Granche fort. »Ich meine damit, eine so große Menge, daß man niemanden
     damit vergiften kann, wenn Sie verstehen   ...«
    Lamartine schüttelte den Kopf. Er fürchtete plötzlich, daß es ihm übel werden könnte.
    »Unbemerkt kann man solche Mengen niemandem verabreichen«, erklärte Granche. »Auch ein Selbstmörder kann das nicht, denn das
     Gift würde wirken, bevor er alles geschluckt hat.«
    »Was heißt das?« fragte Lamartine.
    Granche zuckte mit den Achseln. »Man hat es ihm nicht eingegeben, ohne

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