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Stieber - Der Spion des Kanzlers Roman

Titel: Stieber - Der Spion des Kanzlers Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Brenner
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das nie. Er hielt sogar zu mir, wenn alle anderen über mich lachten. Ich glaube, erhat damit bei den klügeren Mädchen mehr Eindruck gemacht als die Rohlinge.
    Eines Abends nahm Schulz mich beiseite und beichtete mir eine Affäre. Der Umgang mit den jungen Frauen sei ihm zu albern,
     sagte er. Er suche nach einem wirklichen Abenteuer. Es sei ihm gelungen, mit einer Dreißigjährigen anzubändeln, die sogar
     schon ein Kind habe und sich nicht prüde und umständlich verhalte. Er bat mich um einen Freundschaftsdienst: Die Dreißigjährige
     war zwar ledig, sie arbeitete aber als Köchin im Haushalt eines Professors der Ökonomie. Schulz behauptete, die Herrschaften
     hätten für den Abend Theaterkarten – und diese Ida wollte ihn empfangen. Aber während er sich oben mit Ida vergnügte, müßte
     jemand auf der Straße Wache halten, damit die Herrschaften ihn nicht erwischten. Die arme Ida würde dann nämlich auf der Stelle
     entlassen.
    Ich erklärte mich dazu bereit, obwohl mich der Gedanke, einen Professor der Berliner Universität zu hintergehen, etwas bedrückte.
     Wir gingen also zusammen zum Haus des Professors. Der Mann, den wir beide kannten, unterrichtete nicht nur Wirtschaftswissenschaft,
     sondern machte auch selbst erfolgreiche Geschäfte. Sein Haus lag in der besten Gegend der Stadt. Ich wurde mißtrauisch, als
     zwei von Schulzens Kumpanen zu uns stießen und Anstalten machten, mit Schulz zusammen das Haus durch eine Seitenpforte zu
     betreten. Ich fragte meinen Freund, warum er nicht allein zu der Köchin ging, und er antwortete, Ida sei keine verkommene
     Person, sie achte auf Formen und habe deshalb darauf bestanden, daß noch jemand bei dem Rendezvous anwesend sein müsse. Auf
     meinen Einwand, dann käme er bestimmt nicht zu seinem Ziel, lachte Schulz und erklärte mir, die beiden seien instruiert, sich
     beizeiten zurückzuziehen. Im übrigen habe er sie mit Bedacht ausgewählt, denn gerade mit diesen beiden habe er eine Wette
     laufen, daß er bis zum Ende der Woche eine reife Frau und Mutter besessen haben würde. Auf diese Art könnten sie sich mit
     eigenen Augen von der Einlösung der Wette überzeugen.
    Ich beobachtete etwa eine halbe Stunde lang die Straße. Dann wurden in dem Haus, in das die drei gegangen waren, plötzlich
     Lichter angezündet, und Menschen schrien durcheinander. Die Pforte flog auf, die drei stürmten heraus – aber nicht in meine,
     sondern in die entgegengesetzte Richtung. Von der Köchin war nichts zu sehen. Ich folgte den Fliehenden. Als ich an der Pforte,
     die wieder zugeschlagen war, vorbei wollte, wurde sie abermals aufgerissen, zwei Männer stürmten heraus, ergriffen mich und
     warfen mich zu Boden. Ich wagte kaum zu atmen, geschweige denn, mich zu wehren. Nun liefen auch Nachbarn und Passanten zusammen.
     Jemand spuckte mir ins Gesicht. Ich wurde hochgerissen und gebunden. Dann führte man mich durch eine geifernde Menge weg.
     Ich habe mich noch nie in meinem Leben so geschämt.
    Sie brachten mich aufs nächste Polizeirevier. Dort schrie mich jemand unentwegt an, ich sollte gestehen. Ich aber sagte immer
     nur, daß ich nicht wisse, was man mir vorzuwerfen hatte. Man steckte mich in eine Zelle, und am nächsten Tag wurde ich aufs
     Gericht gebracht. Erst dort erfuhr ich, daß man mich des schweren Diebstahls und des Einbruchs bezichtigte. Ich leugnete und
     weigerte mich auch, die Namen meiner Kameraden zu nennen.
    Nach vier Tagen bekam ich Besuch von Wilhelm Stieber. Was mir sofort auffiel, war, daß er die ganze Sache völlig ohne Emotionen
     behandelte. Er war freundlich wie immer, tadelte mich nicht einmal. Nachdem er mir die Neuigkeiten aus der Universität berichtet
     hatte, erklärte er, er habe sich die Anklage, die gegen mich erhoben worden war, genau angesehen und sei von meiner Unschuld
     überzeugt.
    Ich glaube, ich fiel auf die Knie oder tat etwas Ähnliches. Ich hatte mich in dem Kellerloch des Gerichtes doch schon von
     aller Welt verlassen gefühlt. Stieber sagte, er werde sich meiner Sache annehmen. Als erstes wollte er sich mit dem schwedischen
     Gesandten in Berlin in Verbindung setzen, damit der dabei half, ein polizeiliches Zeugnis über mein Vorleben beizubringen.Stieber gab mir noch Anweisungen, wie ich mich bei weiteren Befragungen zu verhalten hatte, und ließ mich dann allein.
    Mir kamen Zweifel: Mußte ich nicht annehmen, daß Stieber sich ebenso wie Schulz und seine Freunde bloß in eine Rolle einübte,
     die er ganz schnell

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