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Stieber - Der Spion des Kanzlers Roman

Titel: Stieber - Der Spion des Kanzlers Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Brenner
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wieder fallenlassen würde, wenn sie ihm zuviel wurde? Meine Zuversicht verflog – die nächsten Tage im
     Gefängnis wurden die schwersten meines Lebens. Dann – ich hatte schon begonnen, Wilhelm Stieber wegen seiner Großspurigkeit
     zu verfluchen – trat er plötzlich wieder in meine Zelle. Auch diesmal gab er sich völlig ungerührt. Er nahm Platz, öffnete
     eine Tasche und präsentierte mir ein schwedisches Schreiben samt vom Gesandten in Berlin beglaubigter deutscher Übersetzung.
     Darin wurde versichert, ich stamme aus einer zwar armen, aber unbescholtenen Familie, die noch niemals mit dem Gesetz in Konflikt
     gekommen war. Ich hätte Stieber um den Hals fallen können. Er aber bat mich, den Prozeß abzuwarten. Er wollte meine Interessen
     vertreten. Ich nahm dankbar an, zumal ich mir einen Strafverteidiger nicht hätte leisten können.
    Nur wenig später kam es zur Verhandlung. Stieber hielt ein Plädoyer, in dem er meine Herkunft aus einfachen, aber rechtschaffenen
     Verhältnissen ausgiebig hervorhob. Überhaupt gab er ein Bild meiner Familie ab, das mich sehr überraschte. Über den Einbruch
     im Hause des Professors – und um nichts anderes handelte es sich bei der Unternehmung des Kommilitonen Schulz – sagte Stieber
     wenig. Nur soviel ließ er das Gericht wissen: Ich sei fremd in der Stadt und sowieso von etwas einfältiger Natur. Deshalb
     hätte ich mich von Studenten der Universität blenden lassen. Diese jungen Männer seien für mich Vorbilder gewesen. Sie hätten
     mich dazu gebracht, Schmiere zu stehen. Außerdem sei ich ein romantisch veranlagter Charakter. Kurz und gut – das Gericht
     ließ sich überzeugen, ich wurde freigesprochen.
    Mein Ziehvater übergab mir sein ganzes erspartes Geld, um meinen Anwalt damit zu bezahlen. Wilhelm Stieber aberlehnte die Bezahlung ab und eröffnete mir, daß der schwedische Gesandte, um dessen Hilfe er in der Sache gebeten hatte, ihm
     neben einem Dankschreiben für die erfolgreiche Verteidigung auch ein Honorar überwiesen hatte. Dieses Honorar hatte er zurückgewiesen
     und den Gesandten gebeten, es mir zukommen zu lassen – quasi als Entschädigung für die erlittene Ehrkränkung. Der Gesandte
     seinerseits schrieb einen Artikel für die ›Vossische Zeitung‹, in dem er Stieber öffentlich dankte und die juristischen Fähigkeiten
     des jungen Studenten der Theologie hervorhob. Ja, es kam sogar soweit, daß die Regierung meiner Heimat von Stieber erfuhr
     und ihm kurzerhand durch den Gesandten zehn Stück Friedrichsdore als Anerkennung überreichen ließ.«
    Bjerregaard war am Ende seines Berichtes. Er atmete auf. Dann sah er Lamartine an und sagte leise: »Ich hoffe, dieser Bericht
     war Ihr Geld wert.« Lamartine deutete eine leichte Verbeugung an, grüßte auch den vor Müdigkeit bleichen Udo und verließ eilig
     die Wohnung des Schweden.
     
    Draußen klappte er den Kragen seiner Pellerine hoch und ging mit weit ausholenden Schritten los, ohne zu wissen wohin. Lamartine
     war verwirrt. Er fragte sich, ob Bjerregaard die Ereignisse korrekt wiedergab, ob er sich in seiner Schwärmerei für Stieber
     nicht ein Bild des Prozesses zurechtgezimmert hatte, das nicht der Wirklichkeit entsprach? Auf jeden Fall hatte Lamartine
     einen anderen Stieber kennengelernt. Vielleicht war er auf den jungen Stieber gestoßen, den Idealisten, der sich im Laufe
     der Jahre in einen Zyniker verwandelt hatte.
    Es begann zu regnen. Ihm wurde kalt, seine Knochen begannen zu schmerzen.
    Von einem Postamt aus schickte Lamartine ein Telegramm an die Adresse der Verwandten auf dem Land. Er teilte seiner Frau mit,
     wo er sich aufhielt, daß er sie liebte, daß er den Tag herbeisehnte, an dem er wieder bei ihr sein und zusammen mit ihr das
     Kind erwarten konnte. Danach ging es ihm etwas besser.Er trank in einer nach Kohlenstaub stinkenden Gastwirtschaft einen Kaffee. Lamartine zählte sein Geld. Lange würde er damit
     nicht mehr auskommen.
    Im Laufe des Nachmittags erkundigte sich der Franzose in mehreren Hotels, die ihm nicht allzu teuer erschienen, nach freien
     Zimmern und nach den Preisen. Aber entweder waren die Hotels besetzt – offensichtlich führte der Sieg und der Aufstieg Berlins
     zur deutschen Hauptstadt viele Geschäftsleute und Spekulanten an die Spree – oder aber die Preise waren zu hoch für ihn.
    Als es dunkel wurde und er immer noch nichts gefunden hatte, fragte Lamartine einen Schutzmann nach einer günstigen Unterkunft.
     Der Mann musterte ihn

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