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Stieber - Der Spion des Kanzlers Roman

Titel: Stieber - Der Spion des Kanzlers Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Brenner
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Lamartine auf den ersten Blick identisch erschienen. Der Polizist schloß die Augen und
     dachte sich diesen Platz in seine Heimatstadt. Er vergaß für einen Augenblick die Witwe, Jeannes Brief und Stieber. Es war
     wie ein Blick in ein anderes Leben.
    »Wo bleiben Se denn!« kreischte die Alte.
    Lamartine marschierte wie ein guter Soldat mechanisch weiter. Sie bogen in eine Seitenstraße ein. Ihm fiel auf, daß auf der
     rechten Seite der Straße keine einzelnen Häuser mehr standen, sondern sich ein burgähnliches Gebäude entlangzog, das im ersten
     Stock fensterlos war und keine Türen hatte. Am Ende der Gasse befand sich ein Stahltor, das von zwei Posten bewacht wurde.
    Die Witwe blieb stehen. »Ick geh da nich mit rin. Aber ick helf Ihnen, zu Stieber zu jelangen   ... wat nicht eenfach is, wie Se sich denken können.«
    Sie ging auf einen der beiden Posten zu. Der Mann schien sie nicht beachten zu wollen. Die Witwe zog ein gefaltetes Stück
     Papier aus der Manteltasche und hielt es ihm hin. Erst blinzelte er nur ungnädig auf die Alte herab, dann riß er ihr das Papier
     aus der Hand, entfaltete es und warf einen Blick darauf. Seine Augenbrauen hoben sich augenblicklich. Er hielt das Papier
     dem zweiten Posten hin. Auch der überflog das Dokumentund schüttelte dabei ärgerlich den Kopf. Der erste Posten gab der Alten das Papier zurück. Sie steckte es weg und trat an
     Lamartine heran.
    »Et jibt Probleme«, erklärte sie leise.
    »Aber   ...« begann Lamartine. Sie packte ihn am Arm und nötigte ihn weiterzugehen. Erst als sie um die Ecke waren, fuhr er fort:
     »...   wenn Stieber mich doch sehen will! Wir können uns doch nicht einfach wegschicken lassen. Stieber wird den beiden die Leviten
     lesen.«
    Die Alte blieb stehen und schaute ihn groß an. »Ick dachte, Sie sind ’n heller Kopf, Herr Lamartine. Stieber wird keenem die
     Leviten lesen. Wat glooben Se, warum der mir als Botin braucht? Wat glooben Se, warum er Sie braucht? Einen daherjeloofenen
     Franzosen!«
    Lamartine wollte gerade etwas Entschiedenes entgegnen, da bog einer der beiden Wachposten um die Ecke. Der Mann blieb an dem
     Punkt stehen, an dem er sowohl seinen Kollegen am Tor als auch die beiden Besucher sehen konnte, drehte sich zur Mauer und
     nestelte an seiner Hose. Die Witwe schaute weg. Wasser plätscherte. Auch Lamartine schaute in eine andere Richtung.
    Die beiden wollten ihren Weg schon fortsetzen, als der Posten ein Zischen hören ließ. »An der nächsten Pforte wartet jemand«,
     flüsterte er. Dann rief er seinem Kameraden zu: »Der Kaffee treibt, auch wenn’s bloß ’ne braune Brühe ist.«
    »Was geht hier vor?« fragte Lamartine.
    Die Witwe führte ihn zu der Pforte, legte den Finger auf die Lippen und horchte. Ein Schlüssel drehte sich im Schloß der Pforte.
     Sie öffnete sich knarrend, und ein baumlanger Uniformierter erschien. Er streckte seinen Kopf heraus und schaute erst nach
     beiden Seiten, dann fuhr er die Witwe an: »Isser dette?«
    Anstatt zu antworten, schob die Witwe Lamartine zur Pforte und machte sich davon. Lamartine blieb stocksteif stehen. »Nun
     mach aber mal hinne!« schnaubte der Uniformierte. Er packte Lamartine am Oberarm und zog ihn in die Stadtvogtei.Sie befanden sich in einer Art Gewölbe. Der Uniformierte schlug die Tür zu und schloß ab. Es war dunkel. Die Lederstiefel
     des Mannes knarrten, als er an Lamartine vorbei zu einer Tür ging, die unverschlossen war. Tageslicht fiel herein. Die Tür
     führte in den Innenhof des Gebäudes. Lamartine wollte dem Mann folgen, der aber schlug ihm die Tür vor der Nase zu. Wieder
     drehte sich ein Schlüssel im Schloß.
    Das war’s, dachte er. So hat Lecoq doch noch erreicht, was er wollte. Stieber hat sich nicht einmal die Mühe machen müssen,
     einen Haftgrund zu fingieren, er hat einfach eine alte Vettel mit dem Auftrag losgeschickt, seinen Verfolger zu holen. Und
     er, Lamartine, war der Alten auch noch hinterhergetrottet. »Ich habe es nicht anders verdient«, sagte er leise, »Stieber hat
     mich zum zweiten Mal hereingelegt.«
    Lamartine lehnte sich gegen die kalte Steinwand des Gewölbes. Er atmete schwer. Er spürte seinen Puls hinter der Stirn. Lamartine
     war am Ende. Er hatte keine Kraft mehr. Er war bereit, zurückzukehren und sich vor aller Welt einen Prozeß wegen Hochverrats
     machen zu lassen. Er wollte nur noch seine Ruhe haben – wenn es sein mußte in der Strafkolonie von Kourou. Stieber hatte ihn
     besiegt.
    Wieder

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