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Stieber - Der Spion des Kanzlers Roman

Titel: Stieber - Der Spion des Kanzlers Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Brenner
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Verletzten mit seinen Schultern abstützen, um zu verhindern, daß er auf den Boden aufschlug.
    Udo lehnte sich für einen Moment gegen die Kabinentür und atmete tief durch. »Sofort weg hier! Ich glaube, der da drin ist
     hinüber.«
    Udo stürzte an Lamartine vorbei hinaus.
    Lamartine rührte sich nicht. Dann klopfte er gegen die verschlossene Tür. »Lecoq!«
    In der Kabine war Totenstille.

Erst nach mehrmaligem Klopfen öffnete die Witwe Wilke.
    Lamartine war gehemmt – er fürchtete, die Alte könnte die Blutflecken auf seiner Jacke bemerken. Er reckte seinen Hals, um
     in den Flur sehen zu können: Die Witwe schien allein zu sein, Mia war nicht zu Hause. Lamartine überlegte noch, ob er eine
     Nachricht hinterlassen sollte. Als die Alte ihn aber mit in die Hüften gestemmten Armen musterte, wußte er, daß sie ihrer
     Tochter nichts ausrichten würde.
    »So kommen Se doch rin!« sagte die Witwe. »Kommen Se endlich rin, die Nachbarn denken wer weiß wat!« Lamartine drückte sich
     an der Witwe vorbei in die Wohnung. Im Flur wartete er, bis sie die Tür abgeschlossen hatte. Sie führte ihn in die Küche.
    »Nehmen Se Platz, ick hab Kaffee offjebrüht. Jestern hat ’ne Cousine gebrannte Eicheln vorbeigebracht.«
    Lamartine schnupperte, es roch wirklich nach Kaffee. Allerdings mischte sich unter den vertrauten Geruch etwas, was an feuchtes
     Holz erinnerte. Die Witwe holte eine Tasse aus dem Schrank und stellte sie vor Lamartine auf den Tisch.
    Lamartine war überrascht, er schwor sich, vorsichtig zu sein. Sicher hatte die Witwe längst mit Stieber Kontakt aufgenommenund ihn über den Gang der Ereignisse informiert. Stieber wird sie instruiert haben, mich in Sicherheit zu wiegen, dachte er.
     Die Witwe öffnete die Brotdose und entnahm ihr einen zusammengefalteten Brief. »Die Post hat dette heute morjen jebracht!
     Ein Telegramm.«
    Er griff so hastig danach, als könnte die Witwe das Kuvert wieder in die Brotdose zurücklegen.
    »Lesen Se in Ruhe!« sagte die Alte und nahm mit Hilfe ihres Schürzenzipfels die Kanne von der Kochmaschine. Während sie Kaffee
     einschenkte, riß Lamartine den Umschlag auf. Das Telegramm kam aus Frankreich, es war sehr lang und mußte ein kleines Vermögen
     gekostet haben.
    »Uns geht es nicht schlecht hier auf dem Lande, auch wenn meine Eltern es zunehmend als Belastung empfinden, vom Wohlwollen
     der Verwandtschaft abhängig zu sein. Du kennst den Stolz meiner armen Mutter.« Den kannte Lamartine, und er spürte, wie sich
     sein Magen verkrampfte: Die ersten Worte galten der Verfassung der Schwiegermutter – nicht der Frage nach seinem Wohlergehen
     in der Fremde, nicht seiner Aufklärung über den Zustand des Ungeborenen. Jeanne war so weit weg wie noch nie. »Angesichts
     der Sorglosigkeit, mit der Du uns alle ins Elend gestürzt hast, sehe ich es als am besten an, wenn ich mich von Dir freimache.
     Da Du nicht zurückkehren kannst, bitte ich Dich um eine schriftliche Einverständniserklärung in die Scheidung. Erspare uns
     weitere Querelen, denke einmal an das Wohl des Kindes und schicke mir eine formlose Erklärung! Mein Vater wird über einen
     Freund im Justizministerium alles weitere in die Wege leiten. Jeanne.« Er steckte das Telegramm in den Umschlag zurück und
     schob den Umschlag in die Innentasche seiner Jacke.
    »Der Kaffee wird kalt«, sagte die Alte.
    Lamartine trank einen Schluck, die Brühe schmeckte brenzlig und bitter. Die Witwe stellte ihm ein Glas mit Zucker hin, Lamartine
     nahm sich einen Löffel davon und rührte lange.
    »Hoffentlich nischt Schlimmes«, säuselte die Witwe.
    Er schaute sie nachdenklich an. »Lecoq ist tot«, sagte er schließlich leise. Er wollte die Alte schockieren, schließlich war
     der Geheimdienstchef ihr Verbündeter im Kampf gegen die Tochter und den Logisgast gewesen. Die Wilke aber zuckte nur mit den
     Achseln. »Ick mochte ihn nich besonders!« erklärte sie.
    Irgend etwas hatte sich getan. Wieso bemühte sich die Alte plötzlich um ihn? Wo waren die Gendarmen, die sie gegen ihn zur
     Hilfe rufen wollte? Was unternahm Stieber? Was hatte die Alte so verändert?
    »Mia muß gleich kommen. Sie ist nur ’n paar Kleinigkeiten einkaufen jegangen, ick gloobe, die Kleene will heute abend wat
     kochen – für Sie!«
    »Ich habe kein Geld mehr – und ich zahle auch nicht!« erklärte Lamartine trotzig.
    Die Alte mühte sich ein Lächeln ab. »Sie müssen doch nischt zahlen – Sie doch nich, meine Tochter mag Sie. Sie mag Sie

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