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Stieber - Der Spion des Kanzlers Roman

Titel: Stieber - Der Spion des Kanzlers Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Brenner
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drehte sich der Schlüssel im Schloß. Licht fiel herein, und Lamartine sah, daß es sich bei dem Gewölbe um einen Schuppen
     für Gartengeräte handelte: am Bruchstein-Mauerwerk lehnten Rechen, Besen, Harken, in der Ecke standen eine Schubkarre und
     eine Walze für Kieswege. Es war wieder der Uniformierte, der ihn von der Straße hereingeholt hatte. »Wie geht’s Ihnen?« fragte
     der Mann.
    »Es geht.«
    »Tschuldijung, dat ick Se hab warten lassen. Aba es is nich einfach, Sie hier reinzubringen. Fast alle meene Kollegen sind
     jejen uns. Wir müssen uns vorsehen. Schwark und Simons haben die Leute instruiert: Keener darf rein, nischt darf nach draußen
     dringen. Icke und meine Freunde, wir sind nur zu dritt   ... Keene Seele darf wissen, daß es uns hier drinne jibt.Aba glooben Se mir: Allet wird jut. Noch jibt’s in Preußen Jesetze   ... auch für die Justitia   ... noch kann keener so ohne weiteres im Jefängnis vaschwinden!«
    Lamartine verstand kein Wort.
    »Folgen Se mir nich off ’n Fuß!« fuhr der Uniformierte fort. »Die anderen würden sich sofort denken, dat ick Se hier rinjebracht
     hab. Am besten is, Sie warten ein wenig. Dann marschieren Se alleene los. Schließen Se die Tür hinter sich, und dann achten
     Se drauf, dat Se Abstand zu mir halten, ohne mich aus den Oogen zu valiern! Die Stadtvogtei is ’n unübersichtliches Jebäude,
     man kann in den zahlreichen Jängen schnell die Orientierung valiern – und Se können ja schlecht nach ’m Weg frach’n, wa?«
    Der Uniformierte schien auf Lamartines Zustimmung zu warten. Lamartine nickte unsicher. Der Uniformierte ging los. Man hörte,
     wie er draußen laut grüßte. Nachdem er langsam bis zehn gezählt hatte, trat auch Lamartine auf den Hof.
    Das schwache Tageslicht tat ihm in den Augen weh. Er schloß die Tür hinter sich und sah gerade noch, wie der Uniformierte
     durch eine Doppeltür den Mittelbau der Stadtvogtei betrat. Lamartine stapfte los. Er bemühte sich, sich umzusehen, ohne aufzufallen.
    Der Hof hatte einen eigenartigen Grundriß, er war spitzwinkelig, was dem durch hohe Mauern umgrenzten Raum etwas Bösartiges
     verlieh: So als hätte sich der Baumeister geschworen, die Menschen, die in seinem Gebäude zu tun hatten, in Schwermut zu stürzen.
     Die Fenster zum Hof hatten alle Gitter. Lamartine befand sich in einem Gefängnis.
    Der Größe und der Bewachung nach zu urteilen, handelte es sich bei der Stadtvogtei um das Berliner Zentralgefängnis. Die Wachen
     an den Toren waren jedoch nur leicht bewaffnet – also war es ein ziviles, vielleicht sogar ein Untersuchungsgefängnis, aber
     kein Militärgefängnis, was Lamartine etwas beruhigte.
    Aus den Augenwinkeln beobachtete er die Uniformierten.Sie trugen das Blau der Berliner Polizei, an ihren Jacken glänzten silberne Knöpfe, und an kurzen Gürtelschlaufen hingen die
     unpraktisch wirkenden Säbel. Lamartine fiel das deutsche Wort »Blaukoller« ein, das er einmal gehört hatte. Jetzt verstand
     er dessen Bedeutung.
    In der Tür des Mittelgebäudes begegnete ihm ein Mann in Zivil, der ihn grüßte. Lamartine grüßte stumm zurück und betrat das
     Gebäude. Der Uniformierte wartete auf der Treppe. Sobald Lamartine durch die Tür war, ging der Mann schnell weiter. Lamartine
     beeilte sich, Schritt zu halten.
    Er kannte die Geräusche eines Gefängnisses. Sehr oft hatte er im Pariser Zentralgefängnis Häftlinge vernehmen müssen. Das
     Schlüsselgeklapper, das Klirren des Stahls, das ferne Gelächter der Eingeschlossenen, der nach kurzen Phasen der Stille auftretende
     Schrei   – Lamartine hätte ein Gefängnis mit verbundenen Augen erkannt. Auch der Geruch war ihm vertraut: Kohlsuppe und Seifenbrühe.
    Der Uniformierte blieb an einer Schleuse stehen. Eine Eisentür trennte zwei Abteilungen voneinander. Er sprach mit dem Wachposten.
     Dann winkte er Lamartine heran.
    »Det is Schmidt – eener von uns!« erklärte der Mann.
    Schmidt nickte ernst und schloß auf. Er ließ den Hünen hinein und bedeutete Lamartine, einen Augenblick zu warten. Die beiden
     Männer schauten sich nicht in die Augen. Lamartine spürte Scheu bei dem Schließer; der Mann schämte sich, von einem Fremden
     dabei beobachtet zu werden, wie er etwas Unrechtes tat.
    Die Schritte des Uniformierten hallten auf dem Stahl einer Treppe. Schmidt ließ auch Lamartine durch die Schleuse schlüpfen.
     Vor dem Franzosen öffnete sich ein langer Schlauch. Drei Reihen Zellen lagen übereinander, man erreichte

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