Stiefbruder - Liebe meines Lebens
Jakob los und stellte fest, dass ich von meinem Sitznachbarn ziemlich eingehend gemustert wurde. Das machte mich nervös.
„Kommt drauf an“, gab ich lässig von mir und grinste vielversprechend. Hoffentlich erzählte mein Bruder nichts davon, dass ich mir in seinen Armen einen runtergeholt hatte. Meine coole Fassade bekam Risse. Was, wenn er es weiter erzählt hatte? Wenn es alle hier wussten? Wenn ich seit einem Jahr das Gespött im ganzen Ort war? Mein Grinsen bekam etwas Verzweifeltes und ich spannte meinen ganzen Körper an, als eine leichte Paranoia aufzog.
„Nur Gutes“, beruhigte mich Tobias.
„Zählt onanieren zu etwas Gutem?“, rutschte es aus mir heraus. Verdammt! Tobias prustete los und ließ sein Blick wieder so schamlos über meinen Körper gleiten, dass ich rot wurde.
„Das will ich wohl meinen“, lachte er, trank einen Schluck von seinem Bier und fragte: „Wieso?“
„Pfuühaa“, machte ich, zuckte mit den Schultern und interessierte mich
sehr
für den Aufdruck auf der Getränkedose. Vor allem für das Kleingedruckte.
„Haben du und Jakob denn
auch
ein Wettwichsen veranstaltet?“, bohrte Tobias nach und nun war
ich
es, der losprustete. Gehetzt blickte ich zu meinem Stiefbruder, der gerade laut über einen Witz lachte und starrte dann Tobias an.
„Hat
er
das behauptet?“, wollte ich wissen und war kurz davor, den Kerl neben mir am Kragen zu packen und zu schütteln, wie man das in Filmen bei Verhören machte.
„Nein, aber das macht doch
jeder
irgendwann, oder?“, gab Tobias von sich und grinste anzüglich.
„Jeder?“
„Du nicht?“
„Du schon?“
„Klar!“, gab Tobias zu. Offenbar hatte ich etwas verpasst.
„Mit wem?“, wurde ich indiskret. Eigentlich interessierte es mich nicht. Das hieß, sollte Jakob dabei gewesen sein, dann würde es mich durchaus interessieren.
„Schulkameraden“, antwortete Tobias.
„Ah, okay“, murmelte ich. Wie seltsam. In meiner Klasse war bisher niemand auf diese Idee gekommen, aber es machte trotzdem irgendwie Sinn so etwas zu tun. Ich hatte schon davon gehört, es aber für eine Urban Legend gehalten. Offenbar also gab es dieses ominöse Wettwichsen tatsächlich – nicht nur in schlechten, amerikanischen Komödien. Ich versank ins Grübeln.
„Also, was ist nun mit
dir?
Hast du dir schon vor einem anderen Kerl einen runter geholt?“, wollte Tobias wissen. Meine Ohren begannen zu glühen.
„Nein“, log ich und als würde ich um Vergebung für diese Schummelei bitten, suchte ich Augenkontakt zu Jakob. Mein Herz machte einen fröhlichen Hüpfer, als sich unsere Blicke trafen. Ich lächelte, er lächelte, er zwinkerte mir zu, ich zwinkerte zurück. Für Sekunden schien alles gut, alles möglich, machte ich mich ganz weit auf um ihn direkt hereinspazieren zu lassen. Jakobs Lächeln erstarb, als er sah, mit wem ich hier beisammen saß. Wieso das? Ich schaute mir Tobias genauer an. Was stimmte nicht mit ihm? Er sah doch ganz in Ordnung aus!
„Du bist also noch Jungfrau!“, schlussfolgerte Tobias, und statt den Verdacht mit übertriebenem Grölen von mir zu schmettern, so wie es sich gehört hätte, starrte ich ihn sprachlos an. Das fasste er als Zustimmung auf.
„Was für eine Vergeudung!“, stieß er hervor.
Ich rückte ein bisschen von ihm ab. Mir war nicht danach, mit ihm über dieses Thema zu sprechen. Das Gerede übers Wichsen war schon viel zu weit gegangen – auch wenn
ich
es war, der damit angefangen hatte. Selbsterfüllende Prophezeiung nannte man das wohl. Aus Angst, dass dieses Thema zur Sprache kam, hatte ich es selbst auf den Tisch gebracht.
„Aber du hast schon geküsst, oder?“, setzte Tobias nach. Auch das hätte ich mit einer wilden Geste abschmettern können – stattdessen kicherte ich verlegen. Ich verhielt mich nicht, als wäre ich sechzehn, sondern als wäre ich zwölf!
„Oh mein Gott, wie ist das möglich!“, stieß Tobias hervor. Durch den Aufschrei meines Sitznachbarn war Jakob von einem laufenden Gespräch abgelenkt worden und schaute zu uns herüber. Er wirkte beunruhigt. Das konnte ich gut verstehen, ich war es auch. Tobias registrierte, dass ich mit meinem Bruder Blicke austauschte und sah mich prüfend an.
„Weiß er, dass du schwul bist?“
Meine Kinnlade klappte runter.
„Woher …?“, faselte ich und im nächsten Moment hatte ich eine fremde, feuchte Zunge im Mund, die gierig nach meiner angelte. Als wäre ich zu Stein geworden, rührte ich mich keinen Millimeter, ließ zu, dass
Weitere Kostenlose Bücher