Stiefkinder der Sonne
Stücke.“
„Ich habe keine Lust, wegen drei Hemden eine Kugel in den Bauch zu riskieren“, sagte Greville. „Wir warten, bis unsere Einkaufsliste länger ist. Und jetzt hör auf, dich wie eine ausgestorbene Hausfrau zu benehmen, und komm ins Bett. Morgen früh gehen wir mal rüber und schauen uns an, wen die Hunde gefressen haben.“
„Wie wäre es denn erst noch mit ein bißchen Musik?“ fragte Liz. Ihre Lust auf Musik wurde langsam unersättlich. Sie hatten sich schon Tschaikowskys „1812“ und das zweite Klavierkonzert von Rachmaninov angehört.
„Scheiß auf die Musik. Wir haben schon zuviel davon gehabt. Ich will Sex.“
Sie lächelte.
„Ich habe Hunger. Es ist schon lange her, seit wir etwas gegessen haben.“
„Na, dann geh doch und schneide dir eine Scheibe Schinken ab, während du dir das Höschen ausziehst. Ich bin müde.“
„Wenn du müde bist, dann hast du auch keine Lust.“
„So müde bin ich auch wieder nicht.“
Es wurde wieder geschossen, aber in noch weiterer Entfernung.
„Ganz klar Hunde“, sagte Greville. „Wenn sie mit den Hunden an der Windmühle zusammentreffen, dann dürfte das ein interessantes Duell werden. Die Bösen kennen die Guten nicht, aber die Guten werden von den Bösen ganz entschiedene Vorstellungen haben … Ich möchte gern mal wissen, ob dir Miss Worrall schon verziehen hat, daß du ihr zwei Hunde geklaut hast.“
„Du hast sie schließlich umgebracht“, erinnerte ihn Liz.
„Und du hast sie schließlich auf mich gehetzt, damit sie mich umbringen, du kleines Raubtier.“
Greville streckte sich und gähnte. Die Schießerei schien jetzt vorbei zu sein. „Also, entweder kommst du jetzt ins Bett, oder ich schleife dich hin. Was von beiden willst du?“
Liz kicherte.
„Ein bißchen von beidem“, sagte sie.
Aber als Liz sich an Schinken sattgegessen hatte, war ihm die Lust auf Liebe abhanden gekommen. Sie hatte einem beunruhigenden Gefühl von Zärtlichkeit Platz gemacht. Er wollte Liz nur noch in den Armen halten und die Welt vergessen.
Am Morgen war der Nebel noch immer da. Es gab nichts zu tun, und sie mußten nirgendwo hin, und so blieben sie im Bett liegen, bis der Hunger sie zum Aufstehen bewegte. Dann frühstückten sie in aller Ruhe und legten sich wieder hin. Dieses Mal liebten sie sich, denn es war so, als hätte der Nebel sie praktisch und permanent von der gesamten Menschheit abgeschnitten. Es war, als seien sie völlig allein auf dem Planeten – so allein, daß es möglich wurde, Visionen von unendlicher Isolation aufzubauen, von Unsterblichkeit und einer Nähe und Abhängigkeit voneinander, die so befriedigend war, daß es fast schmerzte.
In der Nacht hatten sie keine weiteren Schüsse mehr gestört, und es gab keine, um sie in dem betäubten, sinnlichen Niemandsland ihres Morgens zu stören. Um die Mittagszeit hatte sich der Nebel jedoch gelichtet. Liz war bereit, den ganzen Tag zu einem sexuellen Feiertag zu erklären, aber Greville begann unruhig zu werden.
Als die Sonne durchbrach, verspürte er das plötzliche Bedürfnis, aufzustehen und hinauszugehen, um herauszufinden, was sich in der Welt draußen abgespielt hatte. Er hatte das Bedürfnis, andere Menschen zu sehen, eine Welt zu erfahren, die größer war als diejenige, die von vier Schlafzimmerwänden begrenzt war.
So ruderten er und Liz bald von ihrem verwunschenen Eiland weg. Nun, da der Nebel verschwunden war, war es ein perfekter und herrlicher Herbsttag. Es rührte sich kein Windhauch, und die Blätter der Bäume um Ambergreave und den See – braun und golden, orange und tiefrot – sahen aus, als seien sie an die bewegungslose Luft befestigt worden.
Die Landschaft lag bewegungslos da. Sie sah in den goldenen Strahlen der tiefstehenden Sonne wie versteinert aus – die phantastische und herrliche Sicht auf ein Stilleben.
Auch in dem Dorf Ambergreave gab es Stilleben zu besichtigen; es enthielt jedoch nichts Schönes – nur den tiefhängenden Schrecken der Gewalt, die obszöne Erniedrigung des Schmerzes und den staubigen Geschmack willkürlicher Zerstörung.
Der erste bizarre Gegenstand, auf den Liz und Greville stießen, war eine Leiche, männlich, die mit einem Kleidungsstück bekleidet war, bei dem es sich offensichtlich um eine Mönchskutte handelte. Sie lag in einem unordentlichen Haufen mitten auf der Dorfstraße. Dem Mann war die Kehle zerrissen worden. Außerdem hatte er in seiner Brust eine Schußwunde.
Liz und Greville starrten sich an. Sie traten
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