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Stiefkinder der Sonne

Stiefkinder der Sonne

Titel: Stiefkinder der Sonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edmund Cooper
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sagte er. „Ich hätte es nie für möglich gehalten, daß ich mich so ausgetrocknet fühlen könnte.“
    Greville drehte sich zu Liz um, die hinter ihm stand. „Hol ihm Wasser. Draußen ist eine Pumpe.“
    Sie ging die Treppen hinunter und kam kurze Zeit später mit einem Tonkrug zurück. Der Mann auf den Säcken leckte sich die Lippen.
    Greville nahm den Krug und ging nahe zu dem Mann hin. „Also, jetzt sprich.“
    „Erst das Wasser, bitte.“
    Greville goß ein wenig von dem Wasser vor seinen Füßen auf den Boden.
    „Ich sagte: Sprich.“
    Der Verwundete unterdrückte ein Stöhnen. „Das wird Ihnen zwar auch nicht viel nützen“, sagte er schwach. „Aber wenn Sie an mir im wahrsten Sinne mehr als nur ein akademisches Interesse haben, dann möchte ich Ihnen mitteilen, daß Sie zu einem gewissen Professor Francis Watkins, ehemaliger Lehrstuhlinhaber am psychologischen Seminar der einstigen und nicht sonderlich beweinten Universität von East Anglia, unbarmherzig sind … O Gott! Töten Sie mich, um Himmels willen.“ Die letzten Worte erhoben sich zu einem Schrei, und der Schrei ließ ihm von neuem Blut auf die Lippen treten.
    Greville goß wieder Wasser vor die Füße von Professor Francis Watkins. „So, und jetzt erzähl uns mal etwas von deinen religiösen Überzeugungen“, sagte er freundlich. „Wenn sich das interessant anhören sollte, bekommst du vielleicht sogar etwas Wasser zu trinken. Wenn du uns davon überzeugen kannst, daß es so richtig Spaß macht, Menschen zu zerhacken und zu kreuzigen, dann tun wir dir vielleicht sogar den Gefallen und bringen dich um. Aber langweile uns nicht. Langeweile mögen wir nicht.“
    Der Mann auf den Säcken brachte trotz seines erschreckenden Aussehens und trotz seiner Schmerzen ein Lächeln zustande. „Für Wasser würde ich alles tun“, murmelte er. „Mein werter Herr, Sie sprechen zu einem gepreßten Laienbruder des äußerst merkwürdigen Ordens der Frevelbrüder. Ich war am Verhungern, und sie haben mir Essen gegeben. Ich war nützlich, und sie ließen mich am Leben … Der Witz dabei ist nur, daß ich einmal die Kühnheit besessen habe, mich als Kapazität auf dem Gebiet der anomalen Psychologie zu betrachten.“
    Er fing an zu lachen, aber sein Gelächter erstarb zu einem dünnen, blubbernden Schrei.
    Plötzlich nahm Liz Greville den Krug aus der Hand. Sie beugte sich hinab und nahm Professor Watkins wie ein zu großes Kind in die Arme. Dann gab sie ihm Wasser zu trinken.
    „Vielen Dank, meine Liebe. Es tut weh, wissen Sie. Es tut sogar weh, wenn man entdeckt, daß es in England noch Mitleid gibt.“
     

18
     
    Trotz seines Optimismus – und unter den gegebenen Umständen war es durchaus gerechtfertigt, seine Haltung so zu beschreiben – war Professor Francis Watkins, Kapazität auf dem Gebiet der anomalen Psychologie und zeitweise Frevelbruder, nicht tödlich verwundet. Er hatte einen Durchschuß in der Schulter, und eine weitere Kugel war ihm durch den Oberschenkel gegangen, und an Armen und Händen hatte er Bißwunden von den Hunden. Mit ein wenig Pflege würde er jedoch überleben.
    Soviel entdeckte Liz, als sie ihm, trotz Grevilles offensichtlicher Ablehnung, die „Mönchskutte“ herunterriß und sich daran machte, seine Wunden, so gut sie konnte, zu reinigen. Das Blut, das Professor Watkins aus dem Mund floß, war einfach der Tatsache zuzuschreiben, daß er sich ziemlich heftig auf die Zunge gebissen hatte, als die Wunden noch frisch waren und sehr stark schmerzten.
    Greville konnte den Mann auf den Säcken nicht leiden. Er konnte ihn nicht leiden, weil seine eigene Blutgier nachließ und weil er sich, gefangen zwischen Mitleid und Haß und Ekel, seiner selbst nicht mehr sicher war. Professor Francis Watkins war kein junger Mann. Er war ein fetter, erbärmlicher Mann in den sechziger Jahren. Er war die Art Transie, dem es bestimmt war, daß ihm irgendwelche Dinge passierten, einfach deshalb, weil ihm die Kunst, ihnen aus dem Weg zu gehen, vollständig fehlte. So wie manche Menschen zu Unfällen neigen, neigte dieser Mann zu Katastrophen. Das, dachte Greville, konnte man auf einen Blick erkennen. Wenn sich irgend etwas Schreckliches ereignen sollte, so war er die Art Mensch, die davon natürlich wie ein Magnet angezogen wird.
    Das Wasser und die Pflege von Liz – so wenig sachkundig sie auch war – belebten ihn etwas. Während sie ihn säuberte, strömten ihm die Tränen der Dankbarkeit über das Gesicht; und als er darüber hinaus war,

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