Stille finden: Aus der Ruhe leben lernen (German Edition)
was deiner Seele zur Stille wichtig erscheint und dann überlege, was davon in deinem finanziellen und zeitlichen Rahmen möglich ist.
Zu Beginn jeden Jahres fahre ich fünf Tage in eine Ferienwohnung ans Meer. Dies ist mit einer längeren Anfahrt und mit Kosten verbunden. Aber das ist es mir wert. Ich liebe das endlose Watt und die Weite des Meeres. Hier scheint mir Gott in besonderer Weise nahe zu sein.
Im Verlauf des Jahres fahre ich für einen Tag – mit oder ohne Übernachtung – in ein Stille-Haus, das ich nach einer Stunde Fahrt erreiche. Es lohnt sich, immer wieder dieselben Orte zur Stille aufzusuchen. Im Laufe der Zeit werden sie immer vertrauter und man findet dort schneller zur Ruhe.
Bei meiner letzten Auszeit schrieb ich: »Als ich eben hier ankam, fühlte ich mich noch wie ein gehetztes Reh. Doch als ich dann durch den vertrauten Wald lief, atmete meine Seele auf und meine Sinne erwachten wieder: Ich hörte die Vögel zwitschern, spürte die warme Abendsonne und konnte den Sommer förmlich riechen. Ich habe den Eindruck, sobald ich hier ankomme, trete ich in eine andere Wirklichkeit. Der innere Spuk aus Druck und Angst löst sich auf. Ich bin präsent und glücklich.«
Denk mal
Welche Orte könntest du dir für Stille-Zeiten oder Tage vorstellen? Was sollte sie charakterisieren?
Mach mal
Schreibe verschiedene Möglichkeiten auf und kläre, ob du dort Stille-Tage verbringen kannst. Entscheide dich für einen Ort und einen Termin.
4.3 Aufbrechen in die Stille-Zeit
Eine tausend Meilen weite Reise beginnt mit einem einzigen kleinen Schritt.
—Chinesisches Sprichwort
Während meiner mehrtägigen Stille-Auszeit möchte ich mich völlig fallen lassen können. Deshalb achte ich darauf, keine tatsächliche oder auch nur gedachte To-do-Liste zu haben. Ich schließe berufliche Projekte rechtzeitig ab, spreche mit der Familie die Tage meiner Abwesenheit durch und plane auch nach der Stille-Auszeit zwei Übergangstage ein, bevor ich wieder in meinem Beruf besondere Herausforderungen annehme. Nur so habe ich wirklich inneren Freiraum zur Stille.
Da ich mich in der Ferienwohnung selbst verpflege, stelle ich mir rechtzeitig eine Lebensmittelliste zusammen und plane einfache, aber leckere Malzeiten. In der Stille wächst mit der zunehmenden Achtsamkeit auch meine Fähigkeit, Essen besonders zu genießen.
Neben der Kleidung, packe ich folgendes ein: Mein Tagebuch des vergangenen Jahres, Bibel, Zeichenblock und Malkreide, ein oder zwei Bücher, Kerzen, Musik auf MP3 oder CD.
Auf dem Weg zum Stille-Haus spüre ich jedes Mal eine Mischung aus Vorfreude und Angst. Obwohl ich Gott immer wieder als den fürsorglichen Vater erlebe, meldet sich diese Furcht in mir: Was könnte Gott wohl diesmal sagen? Was habe ich in der letzten Zeit falsch gemacht? Alte, eigentlich überwunden geglaubte Gottesbilder melden sich. Aber sie machen mir keine nachhaltige Angst mehr, denn ich weiß, dass sie Gespenster sind, die sich bald auflösen werden.
Denk mal
Wie müssten die Umstände vorher und nachher für dich sein, damit du am Stille-Ort ganz da sein kannst?
Mach mal
Stelle eine Liste der Dinge zusammen, die du gern in die Stille mitnehmen würdest.
4.4 Es geht los
Das innere Gebet ist, so meine ich, nichts anders als Umgang und vertraute Zwiesprache mit dem Freunde, von dem wir wissen, dass er uns liebt.
—Teresa von Ávila
Wenn ich zu meiner mehrtägigen Stille-Auszeit in der Ferienwohnung ankomme, packe ich aus und gehe dann gleich in die Natur. Beim Gehen spüre ich, wie ich innerlich ruhig werde. Ich bleibe an Plätzen stehen, die mir in den vergangenen Jahren bedeutsam waren. Ich lasse die Geschehnisse der letzten Tage an meinem inneren Auge vorbeiziehen. Ich nehme sie wahr, um sie dann loslassen zu können. Während ich langsam gehe, sage ich: »Jesus, jetzt bin ich hier. Und du bist auch hier ...« Dann beginne ich, meinem Jesus das zu sagen, was auf meinem Herzen liegt. Manchmal habe ich das Gefühl, dass ich ganz schnell zu Jesus durchdringe. Manchmal fühle ich mich aber auch auf einmal einsam und habe Angst vor den Tagen. Ich merke, wenn ich auch das dann Jesus sage, dass Jesus irgendwann mein Herz erreicht und ich wieder weiß: Er ist da.
In meiner Ferienwohnung zünde ich den Kamin an. Ich sitze auf dem Boden, schaue in die Flammen.
Dann frage ich mich: Wenn ich ganz ehrlich bin – was wünsche ich mir für diese Tage? Was wünsche ich mir von Gott? Was bedrückt mich zurzeit?
Die Gedanken,
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