Stille Kuesse sind tief
gut. Ich habe keine Lust mehr auf Dramatik, davon hatte ich schon reichlich.“
„Ich bin nicht dramatisch.“
„Du hast auf einem Bartresen getanzt.“
„Ich war nicht betrunken“, rechtfertigte sie sich pikiert. „Ich habe nur den Tanz der glücklichen Jungfrau vorgetanzt.“
„Ja, klar doch. Sieh den Tatsachen ins Auge, Annabelle. Du bist eine von den Frauen, die Männer in den Wahnsinn treiben können. Akzeptier dein Schicksal.“
Seine Worte vermittelten ihr das Gefühl, so eine Art Sexgöttin zu sein, was angesichts der Tatsache, dass sie in dem Glauben aufgewachsen, dass es niemanden gab, der sich auch nur im Geringsten für sie interessierte, sehr beeindruckend war. Nicht, dass Sex gleichbedeutend mit Liebe war, aber es gehörte zumindest in dieselbe Kategorie. Könnte es jedenfalls.
Lewis hatte Sex benutzt, um sie zu manipulieren. Er hatte sich beschwert, wenn sie keine Lust hatte, und wenn sie Lust gehabt hatte, war sie in seinen Augen so etwas wie ein Flittchen gewesen. Meistens hatte er sich überhaupt nicht dafür interessiert, ob sie auch Befriedigung fand, und nur hin und wieder hatte er ihr einen Orgasmus „erlaubt“.
Vor ihrer Beziehung mit Lewis hatte sie den Sex mit den wenigen Männern, mit denen sie zusammen gewesen war, genossen, selbst wenn keiner von ihnen zu einer vernünftigen Beziehung fähig gewesen war. Aber Lewis war der erste Mann gewesen, der vorgegeben hatte, sie zu lieben. Also hatte sie das Gute mit dem Schlechten akzeptiert und gehofft, dass die Beziehung sich noch zum Besseren entwickeln würde. Im Laufe der Jahre hatte sie dann aber erkannt, dass sie sich jemanden wünschte, nein, dass sie jemanden brauchte, der ihr nicht das Gefühl gab, zu nichts nutze zu sein. Also hatte sie Lewis verlassen. Er hatte geschworen, dass sie von ihm nicht einen Penny bekommen würde, doch es war ihr völlig egal gewesen. Sie hatte ihre Sachen zusammengepackt und war gegangen.
Jetzt blickte sie wieder zu Shane. Eigentlich sollte sie ihm sagen, dass sie nicht so außergewöhnlich war, wie er sie darstellte. Aber es war ein schönes Gefühl, dass sie ihn derart berührte. Im Bett hatte er sich als liebevoller und einfühlsamer Liebhaber entpuppt, der eine Reihe von Wunden geheilt hatte, die ihr Exmann ihr zugefügt hatte. Auch wenn sie keine intime, romantische Beziehung eingingen, wusste sie das, was er für sie getan hatte, zu schätzen.
„Es wäre schön, wenn wir wieder Freunde sein könnten“, erklärte sie.
„Ja, das finde ich auch.“
„Dann pfeife ich auch die Stadt zurück.“
Er lachte. „Oh, ja, bitte tu das. Ich kann hier nicht mal mehr einen Nagel kaufen.“
„Du darfst eben nie vergessen, dass Fool ʼ s Gold im Grunde eine matriarchalische Gesellschaft ist.“
„Was dir sicherlich äußerst gut gefällt.“
„Stimmt.“
Gleichzeitig standen sie auf. Den Kopf leicht zur Seite geneigt, musterte sie ihn. „Sollen wir das mit einem Handschlag besiegeln?“
„Entweder das, oder wir treiben es direkt hier auf deinem Schreibtisch.“
Das entsprechende Bild dazu schoss ihr durch den Kopf, und am liebsten hätte Annabelle Ja gesagt.
Shane trat um den Schreibtisch herum. „Entschuldige, das war ein Scherz.“ Er beugte sich vor und küsste sie auf die Wange, bevor er ihr in die Augen schaute. „Es tut mir leid. Ich habe mich falsch verhalten und dich verletzt. Dafür gibt es keine Entschuldigung.“
„Danke.“
Ohne ein weiteres Wort drehte er sich um und ging.
Annabelle ließ sich wieder auf den Stuhl fallen, erleichtert, dass ihre anfängliche Einschätzung doch richtig gewesen war. Shane gehörte zu den Guten. Jeder machte mal einen Fehler. Entscheidend war, wie man mit diesen Fehlern umging, daran offenbarte sich der wahre Charakter. Er hatte die Verantwortung für seinen Fehler übernommen und sich entschuldigt. Was nur wieder einmal bewies, dass er fast vollkommen war.
Leider sehnte er sich nach Sicherheit und etwas Langweiligem. Genau das Gegenteil von dem, was sie selbst sich vom Leben erhoffte. Freundschaft, erinnerte sie sich, ist die weitaus bessere Lösung. Es war ja auch nicht so, dass sie in Versuchung geraten könnten, wieder miteinander ins Bett zu gehen … oder?
Annabelle parkte vor dem Haus auf der Castle Ranch und beobachtete, wie ein weiteres Pferd von einem Anhänger geladen wurde. Ihr schien, als wäre dieses Pferd doch ein wenig wertvoller als die Tiere, die Shane für den Reitunterricht der Mädchen angeschafft hatte. Ein
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