Stille Kuesse sind tief
„Du bist nicht einfach, oder?“
„Wo bliebe denn dann der Spaß?“
Sie ritten zurück zur Ranch, und als sie dort ankamen, überlegte Annabelle, ob es wohl klug wäre, Shane gleich zu sich nach Hause einzuladen, oder ob sie bis abends warten sollte.
Doch noch ehe sie eine Entscheidung treffen konnte, entdeckte sie vor dem Haus ein fremdes Auto.
„Oh, habt ihr Besuch?“, fragte sie und deutete hinüber zu dem Wagen.
„Nicht dass ich wüsste.“
Es handelte sich um einen Mercedes, aber ein anderes Modell als das von Rafe. Allerdings genauso groß, genauso protzig und genauso teuer.
Sie folgte Shane zum Wagen, blieb aber abrupt stehen, als der Fahrer ausstieg. Er war mittelgroß und schlank, hatte helle blaue Augen, graublondes Haar und war adrett gekleidet.
Entgeistert starrte sie den Mann an. Nein, dachte sie. Du täuschst dich. Das kann doch nicht wahr sein …
„Lewis“, flüsterte sie.
Shane drehte sich zu ihr herum. „Wer?“
„Lewis“, brachte sie mühsam heraus. „Mein Exmann.“
Schnellen Schrittes kam Lewis auf sie zu und streckte die Hand aus. „Hallo. Ich bin Lewis Cabot. Annabelles Mann.“
„Ex“, korrigierte sie. „Exmann.“
Lewis schaute sie an und lächelte. „Nein, Annabelle. Deshalb bin ich hier. Wir sind noch immer verheiratet.“
11. KAPITEL
Annabelle hatte das Gefühl, als würde ihr jemand den Boden unter den Füßen wegziehen. Verheiratet? Noch immer verheiratet?
„Das ist unmöglich“, sagte sie. „Wir sind geschieden.“
Lewis hatte sich dagegen gesträubt. Lange Zeit hatte er sich geweigert, einer Scheidung zuzustimmen, bis sie schließlich gedroht hatte, vor Gericht zu ziehen. Ihm war klar gewesen, dass jeder Richter ihr einen Teil seiner nicht unbeträchtlichen Honorare, die er während der Zeit ihrer Ehe verdient hatte, zugesprochen hätte. Auch wenn er ständig etwas an ihr auszusetzen gehabt hatte, war ihre Ehe seiner Karriere sehr zuträglich gewesen. Lewis hatte während der Zeit, in der sie zusammen gewesen waren, zwei seiner Bestseller geschrieben.
Statt ihr jedoch etwas abzugeben, hatte er in die Scheidung eingewilligt. Ihr Anwalt hatte ihr dringend empfohlen, nicht auf das Geld zu verzichten, doch Annabelle hatte ihm erklärt, dass sie lieber frei als reich sein wollte. Schließlich hatten sie keine Kinder, und sie war in der Lage, für sich selbst zu sorgen. Sollte Lewis doch alles behalten. Endlich von ihm fortzukommen war ihr jeden Preis wert gewesen.
„Anscheinend hat es in der Anwaltskanzlei Probleme gegeben“, erklärte Lewis jetzt fröhlich. „Wir sind noch immer verheiratet.“ Er wandte sich an Shane. „Ich bin Schriftsteller. Vielleicht haben Sie schon von mir gehört. Lewis …“
„Nein, tut mir leid.“
Annabelle warf Shane einen Seitenblick zu, doch seine Miene war unergründlich. Was ihm wohl gerade durch den Kopf ging? Immerhin war dies hier schon eine ziemlich dramatische Situation.
Langsam ließ er den Blick von Lewis zu ihr und wieder zurück wandern. „Ihr zwei wollt sicherlich darüber reden“, sagte er und begann in Richtung Stall zu gehen.
„Nein!“, brachte Annabelle hastig hervor. „Es ist okay. Ich muss ohnehin los. Ich muss noch …“ Sie hielt inne, als sie merkte, dass sie nicht wusste, was sie tun sollte. Panik breitete sich in ihr aus und machte es ihr unmöglich, einen klaren Gedanken zu fassen.
Lewis, hier. In Fool ʼ s Gold. Der einzige Ort, wo sie sich immer sicher gefühlt hatte.
Die Hintertür vom Haus wurde geöffnet, und Heidi kam heraus.
„Ah, da bist du ja“, rief sie. „Annabelle, ich müsste dich dringend sprechen. Hast du eine Sekunde Zeit?“
Annabelle nickte und machte sich auf den Weg zu ihr.
„Wir müssen auch reden“, drängte Lewis sie.
Nein, mussten sie nicht. Seit dem Tag, an dem sie sich darauf verständigt hatten, die Scheidung einzureichen, bestand keinerlei Veranlassung mehr, miteinander zu sprechen.
„Ich muss Heidi helfen“, sagte sie und ging weiter in Richtung Haus.
Lewis seufzte theatralisch. „Wie ich sehe, bist du noch immer genauso schwierig wie immer. Na schön, Annabelle. Ich weiß, wie ich dich rumkriegen kann. Ich wohne im Ronan ʼ s Lodge und werde mich bei dir melden.“
Sie hoffte, dass er log, aber wahrscheinlich hatte sie nicht so viel Glück. Frustriert blickte sie zu Heidi und begab sich dann mit schnellen Schritten in deren Obhut. Als sie die Veranda erreichte, nahm Heidi ihren Arm und führte sie hinein.
„Wie lange ist er schon
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