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Stille Nacht

Stille Nacht

Titel: Stille Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Higgins Clark
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einer Zelle gleichende
Schlafzimmer, kaum groß genug für ein Einzelbett, ein
Klappbett für das kleine Mädchen und eine Kommode mit drei
Schubladen.
    Jack hatte Cally gefragt, ob es ihr etwas ausmache, wenn sie
sich noch einmal umsehen würden, und sie hatte mit einem
Nicken zugestimmt. Ganz ohne Zweifel versteckte sich niemand
in der Wohnung. Sie hatten die Tür zum Badezimmer
aufgemacht, unter die Betten geschaut, im Schrank
herumgestöbert. Wider Willen hatte Levy angesichts der
Bemühungen von Cally Hunter, der trostlosen Wohnung etwas
Freundlichkeit abzugewinnen, Mitleid empfunden. Alle Wände
waren leuchtend gelb gestrichen. Kis sen mit Blumenmustern
lagen willkürlich aufeinandergetürmt auf dem alten Sofa. Der
Weihnachtsbaum war mit Unmengen Lametta und rotgrünen
Lichterketten tapfer geschmückt. Ein paar bunt eingewickelte
Geschenke waren darunter plaziert.
    Geschenke? Mort wußte nicht, weshalb dieses Wort etwas in
seinem Unterbewußtsein auslöste. Er dachte eine Weile nach,
schüttelte dann den Kopf. Vergiß es, sagte er sich.
    Er wünschte, Jack wäre nicht so grob mit Cally Hunter
umgesprungen. Es war unschwer zu erkennen, daß sie
schreckliche Angst vor ihm hatte. Mort hatte mit ihrem Fall, der
mehr als zwei Jahre zuvor verhandelt worden war, nichts zu tun
gehabt, doch nach allem, was er darüber gehört hatte, nahm er es
Cally ab, daß sie damals ehrlich davon überzeugt gewesen war,
ihr mißratener junger Bruder sei in einen Bandenkrieg geraten
und die Mitglieder der anderen Gang seien nun hinter ihm her.
Was ist es bloß, woran ich mich bei ihrer Wohnung zu
erinnern versuche? fragte sich Mort. Was war diesmal anders?
    Normalerweise hatten sie um acht Uhr Dienstschluß, aber
heute abend gingen er und Jack statt dessen noch aufs Revier
zurück. Wie Dutzende ihrer Kollegen würden sie mindestens bis
nach Beendigung der Christmette in St. Patrick’s Überstunden
machen. Vielleicht, nur ganz vielleicht, würde sich ja Siddons
dort wie versprochen blicken lassen. Levy wußte, daß Shore
darauf brannte, persönlich die Verhaftung durchzuführen. »Ich
könnte den Kerl auch erkennen, wenn er eine Nonnentracht
anhätte«, sagte er immer und immer wieder.
    Ein Klopfen ertönte an der Hintertür des Lieferwagens, was
bedeutete, daß ihre Ablösung eingetroffen war. Während Mort
aufstand, sich streckte und auf die Straße hinuntertrat, war er
froh, daß er Cally Hunter, kurz bevor er ihre Wohnung verließ,
seine Visitenkarte zugeschoben und ihr zugeflüstert hatte: »Falls
Sie mit irgendwem reden wollen, Mrs. Hunter, ist hier eine
Telefonnummer, unter der Sie mich erreichen können.«
8
    Die Menschenmenge auf der Fifth Avenue hatte sich
weitgehend aufgelöst, obwohl noch einige Interessierte um den
Baum am Rockefeller Center herumstanden. Andere standen
noch Schlange und warteten darauf, die Schaufensterdekoration
von Sak’s zu Gesicht zu bekommen, und unablässig strömten
Besucher in die St. Patrick’s Cathedral hinein und wieder heraus.
    Doch als der Wagen, in dem Catherine saß, hinter dem
Streifenwagen anhielt, in dem Officer Ortiz und Michael
warteten, stellte Catherine fest, daß die meisten der
Weihnachtskunden, die allem Anschein nach ihre Einkäufe in
letzter Minute erledigt hatten, verschwunden waren.
    Sie sind auf dem Weg nach Hause, dachte sie, um die letzten
Geschenke einzupacken und sich gegenseitig zu versichern, daß
sie nächstes Jahr definitiv nicht an Heiligabend von einem
Laden zum nächsten laufen werden.
    Alles auf die letzte Minute. Das war bis vor zwölf Jahren ihr
eigenes Verhaltensmuster gewesen, als im Verwaltungsbüro des
St. Vincent’s Hospital ein dort im dritten Jahr tätiger
Assistenzarzt, Dr. Thomas Dornan, erschien, zu ihrem
Schreibtisch rüberkam und sagte: »Sie sind ne u hier, stimmt’s?«
    Tom, so unbeschwert, doch so gut organisiert. Wenn sie an
seiner Stelle krank gewesen wäre, dann hätte Tom nicht ihr
ganzes Geld und all ihre Ausweise in sein eigenes, bereits gut
gefülltes Portemonnaie gestopft. Er wäre nicht so sorglos damit
umgegangen, daß jemand es ihm aus der Tasche hätte fingern
oder vom Boden hätte aufheben können.
    Das war die Überlegung, die Catherine quälte, als sie die
Wagentür aufmachte und die wenigen Schritte zum
Streifenwagen durch den wirbelnden Schnee rannte. Brian wäre
niemals aus eigenem Antrieb weggelaufen, dessen war sie ganz
sicher. Er war so darauf versessen, zu

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