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Stille Nacht

Stille Nacht

Titel: Stille Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Higgins Clark
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von Frank. Je älter sie wird, um so
mehr ähnelt sie ihm, dachte Cally, die das Kind unwillkürlich
enger an sich zog.
    Sie saßen aneinandergeschmiegt auf dem Sofa gegenüber von
dem Christbaum. »Ich bin froh, daß du mit mir zu Hause bist,
Mommy«, sagte Gigi, und ihre Stimme wurde furchtsam. »Du
läßt mich doch nicht mehr allein, oder?«
    »Nein. Ich wollte dich auch letztesmal nicht allein lassen,
mein Schätzchen.«
»Ich hab dich nicht gern in diesem Haus da besucht.«
Dieses Haus da. Die Frauenstrafanstalt Bedford.
    »Ich war auch nicht gerne dort.« Cally versuchte einen
sachlichen Tonfall anzuschlagen.
»Kinder sollten eigentlich bei ihrer Mutter bleiben.«
»Ja. Das finde ich auch.«
    »Mommy, ist das große Geschenk für mich?« Gigi deutete auf
die Schachtel, die die Uniform und den Mantel enthielt, die
Jimmy abgelegt hatte.
    Callys Lippen wurden trocken. »Nein, mein Schätzchen, das
ist ein Geschenk für den Weihnachtsmann. Er möchte auch gern
was zu Weihnachten geschenkt kriegen. Und jetzt los, es ist
längst Zeit für dich zu schlafen.«
    Gigi fing automatisch an zu protestieren: »Ich will aber
nicht… «, brach dann jedoch ab. »Kommt denn Weihnachten
schneller, wenn ich jetzt ins Bett geh?«
»Hmhmm. Komm, ich trag dich rüber.«
    Nachdem Cally die Decken um Gigi herum festgesteckt und
ihr ihre »Bee« gereicht hatte, die ziemlich mitgenommene
Babydecke, die der unentbehrliche Schlafgenosse ihrer Tochter
war, ging sie ins Wohnzimmer zurück und ließ sich erneut auf
das Sofa fallen.
    Kinder sollten eigentlich bei ihrer Mutter bleiben… Gigis
Worte verfolgten sie. Lieber Gott, wohin nur war Jimmy mit
dem kleinen Jungen unterwegs? Was würde er ihm antun? Was
sollte sie bloß machen?
    Cally starrte auf die Schachtel mit dem ZuckerspazierstockPapier. Das ist für den Weihnachtsmann. Zum Greifen nah
tauchte der Inhalt blitzartig in ihrer Erinnerung auf. Die Uniform
des Gefängnisaufsehers, auf den Jimmy geschossen hatte, an der
Seite und am Ärmel noch ganz blutverklebt. Der verdreckte
Mantel - wer weiß, wo er den gefunden oder gestohlen hatte.
    Jimmy war böse. Er hatte kein Gewissen, kannte kein Mitleid.
Mach dir nichts vor, sagte sich Cally erbittert - der zögert
bestimmt nicht, diesen kleinen Jungen umzubringen, wenn das
seine Fluchtchancen verbessert.
    Sie schaltete die lokalen Nachrichten im Radio ein. Es war
halb acht. Als erste aktuelle Nachricht wurde gemeldet, daß der
Zustand des Gefängniswärters, der auf Riker’s Island
angeschossen worden war, zwar noch immer kritisch sei, sich
inzwischen aber stabilisiert habe. Die Ärzte seien optimistisch,
wenn auch mit Vorbehalt, daß er überleben werde.
    Wenn er am Leben bleibt, dann muß Jimmy sich nicht auf die
Todesstrafe gefaßt machen, überlegte sich Cally. Sie können ihn
jetzt nicht mehr wegen des Todes des Polizisten vor drei Jahren
hinrichten. Er ist schlau. Er wird es nicht riskieren, den kleinen
Jungen zu ermorden, sobald er weiß, daß der Gefängniswärter
nicht stirbt. Er läßt ihn sicher frei.
    Der Nachrichtensprecher berichtete gerade: »Nun zu den
weiteren Nachrichten: Heute am frühen Abend wurde der
siebenjährige Brian Dornan von seiner Mutter auf der Fifth
Avenue getrennt. Die Familie hält sich in New York auf, weil
Brians Vater… «
    Wie angewurzelt stand Cally vor dem Radioapparat und hörte
zu, während der Sprecher eine Beschreibung des Jungen folgen
ließ und dann erklärte: »Hier ist ein Appell seiner Mutter, die
Sie um Ihre Hilfe bittet.«
    Als Cally der leisen, dringlich klingenden Stimme von Brians
Mutter lauschte, stellte sie sich die junge Frau vor, die das
Portemonnaie hatte fallen lassen. Höchstens Anfang Dreißig.
Glänzendes dunkles Haar, das ihr gerade bis zum Mantelkragen
reichte. Ihr Gesicht hatte sie nur ganz flüchtig mitbekommen,
aber Cally war überzeugt, daß sie sehr hübsch war. Hübsch und
gut angezogen und in gesicherten Verhältnissen.
    Als sie ihr nun zuhörte, wie sie um Unterstützung flehte, legte
sich Cally die Hände über die Ohren, stürzte dann zum
Radioapparat und schaltete ihn aus. Sie ging auf Zehenspitzen
ins Schlafzimmer. Gigi schlief bereits, atmete leise und
regelmäßig, die Wange auf die eine Hand gebettet, während die
andere die ausgefranste Babydecke an ihr Gesicht drückte.
    Cally kniete sich neben ihr hin. Ich kann die Hand ausstrecken
und sie berühren, dachte sie. Diese Frau kann ihr Kind nicht

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