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Stille Nacht

Stille Nacht

Titel: Stille Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Higgins Clark
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erklärte er.
»Richtige Kumpel.« Er grinste. »Fröhliche Weihnachten,
Cally.«
6
    Der unauffällige, am Straßenrand gegenüber von Callys
Mietshaus geparkte Lieferwagen war der Beobachtungsstand für
die Detectives, die das Apartmentgebäude auf irgendein Zeichen
von Jimmy Siddons hin im Auge behielten. Sie hatten Cally ein
wenig später als üblich nach Hause kommen sehen.
    Jack Shore, der Detective, der Cally am Morgen aufgesucht
hatte, zog seine Kopfhörer ab, fluchte unhörbar vor sich hin und
wandte sich an seinen Partner. »Was hältst du davon, Mort?
Nein, warte. Ich will dir sagen, was ich davon halte. Es ist ein
Trick. Er versucht bloß Zeit zu gewinnen, um so weit wie nur
möglich von New York wegzukommen, während wir in St. Pat’s
mit dem Klingelbeutel rumgehen und nach ihm Ausschau
halten.«
    Mort Levy, zwanzig Jahre jünger als Shore und weniger
zynisch, rieb sich das Kinn, was ein Zeichen dafür war, daß er
gründlich nachdachte. »Wenn es ein Trick ist, glaube ich nicht,
daß die Schwester aus freien Stücken mitspielt. Man braucht
kein Meßgerät, um die Anspannung in ihrer Stimme zu hören.«
    »Hör mal, Mort, du warst doch bei Bill Grassos Beerdigung.
Dreißig Jahre alt, mit vier kleinen Kindern, und dieser Schurke
Siddons hat ihm zwischen die Augen geschossen. Wenn Cally
Hunter uns reinen Wein eingeschenkt und gesagt hätte, daß sie
dieser Ratte von einem Bruder Geld und ihre Autoschlüssel
gegeben hat, dann hätte Grasso gewußt, womit er es zu tun
hatte, als er ihn anhielt, weil er bei Rot durchgefahren war.«
    »Ich glaube nach wie vor, daß Cally auf Jimmys Märchen
reingefallen ist, daß er sich aus dem Staub machen wollte, weil
er in einen Bandenkrieg geraten und die andere Bande hinter
ihm her war. Ich glaube nicht, daß sie wußte, daß er einen
Angestellten in einem Getränkeladen verwundet hatte. Bis dahin
hatte er nichts wirklich Schlimmes angestellt.«
    »Du meinst, daß man ihm bis dahin nichts nachweisen
konnte«, fuhr ihn Shore an. »Jammerschade, daß der Richter
Cally nicht wegen Beihilfe zu einem Mord einbuchten konnte,
anstatt bloß wegen Beihilfe zur Flucht. Sie ist nach fünfzehn
Monaten Haft freigelassen worden. Bill Grassos Witwe
schmückt heute abend den Baum ohne ihn.«
    Sein Gesicht wurde rot vor Zorn. »Ich geb’s jetzt durch. Nur
für den Fall, daß dieser Wichser es ernst gemeint hat, müssen
wir jemand zu der Kirche schicken. Ist dir klar, wie viele Leute
dort heute nacht zur Christmette gehen? Dreimal darfst du
raten.«
    Cally saß, die Hände um ihre Knie gelegt, mit gesenktem Kopf
und geschlossenen Augen auf dem abgewetzten Samtsofa. Sie
zitterte am ganzen Leib. Sie war über Tränen und Erschöpfung
hinaus. Lieber Gott, lieber Gott, warum ist das alles passiert?
Was sollte sie nur machen?
    Wenn Brian etwas zustieße, wäre sie dafür verantwortlich. Sie
hatte das Portemonnaie seiner Mutter aufgehoben, und deshalb
war er ihr gefolgt. Wenn das Kind die Wahrheit gesagt hatte,
war sein Dad sehr krank. Sie dachte an die attraktive junge Frau
in dem rosafarbenen Mantel und daran, wie überzeugt sie
gewesen war, im Leben dieser Frau verliefe alles nach Wunsch.
    Ob Jimmy den Jungen wohl laufenläßt, sobald er dort
angekommen ist, wo er hinwill? Warum sollte er das tun? fragte
sie sich. Wo immer das war, sie würden genau dort nach Jimmy
zu suchen anfangen. Und wenn er ihn tatsächlich freiläßt, dann
wird Brian erzählen, wie er mir gefolgt ist, weil ich das
Portemonnaie aufgehoben hab, hielt sie sich vor Augen.
    Aber Jimmy hatte gesagt, daß er das Kind erschösse, falls die
Polizei ihm auf die Pelle rückte. Und er meinte es ernst, dessen
war sie sich sicher. Wenn ich mich also an die Polizei wende,
dann hat Brian keine Chance.
    Wenn ich jetzt nichts sage und Jimmy ihn dann wirklich
freiläßt, kann ich ja wahrheitsgemäß erklären, daß ich nichts
gesagt habe, weil er den Kleinen umzubringen drohte, falls die
Cops ihm zu nahe kommen, und weil ich wußte, daß er das ernst
meinte. Und ich weiß, daß er es tatsächlich ernst meint, dachte
Cally. Das ist das Schlimmste an der Sache.
    Brians Gesicht tauchte groß in ihrer Vorstellung auf. Das
rötlich-braune Haar, das ihm in die Stirn fiel, die großen,
intelligenten Augen, die Sommersprossen, die über seine
Wangen und Nase verstreut waren. Als Jimmy ihn zur Tür
reinzog, hatte sie ihn auf den ersten Blick für höchstens fünf
gehalten; doch

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