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Stille Nacht

Stille Nacht

Titel: Stille Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Higgins Clark
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wirklich tun würde?
    Brian kauerte sich tiefer in den Sitz. Er fürchtete sich und
hatte Hunger. Und er mußte aufs Klo, hatte aber Angst, um
Erlaubnis zu bitten. Sein einziger Trost war die Medaille, die
jetzt vor seiner Jacke auf seiner Brust lag. Sie hatte Grandpa aus
dem Krieg heimgebracht. Sie würde Daddy wieder gesund
machen. Und sie würde auch ihm helfen, wieder sicher nach
Hause zu kommen. Er glaubte fest daran.
    Jimmy Siddons warf einen kurzen Blick auf seine kleine
Geisel. Zum erstenmal seit seinem Ausbruch aus dem Gefängnis
fing er an, sich zu entspannen. Es schneite noch immer, aber
falls es nicht schlimmer als das hier wurde, war es kein Anlaß,
sich Sorgen zu machen. Cally benachrichtigte bestimmt nicht
die Polizei. Da war er seiner Sache sicher. Sie kannte ihn gut
genug, um ihm seine Drohung abzunehmen, daß er den Kleinen
töten werde, falls ihm die Cops in die Quere kamen.
    Ich vegetiere doch nicht für den Rest meines Lebens in
diesem elenden Gefängnis dahin, dachte er, und ich gebe denen
auch bestimmt nicht die Möglichkeit, mich voll Gift zu pumpen.
Entweder ich komme durch, oder eben nicht.
    Aber ich komme durch. Er lächelte grimmig. Er wußte, daß sie
bestimmt eine Großfahndung nach ihm eingeleitet hatten und
nun alle Brücken und Tunnel, die aus New York hinausführten,
überwachten. Aber sie hatten keinen blassen Schimmer, auf
welches Ziel er zusteuerte, und ganz gewiß hielten sie nicht nach
einem Vater mit Sohn Ausschau, der in einem Wagen unterwegs
war, den man noch nicht als gestohlen gemeldet hatte.
    Er hatte all die Geschenke herausgeholt, die er das Ehepaar
hatte im Kofferraum verstauen sehen. Jetzt stapelten sie sich auf
dem Rücksitz: Päckchen weihnachtlicher Verheißung.
Zusammen mit dem Kind vorne bedeuteten diese Geschenke,
daß die Kassierer für die Straßengebühren ihm nun gewiß keine
weitere Aufmerksamkeit widmen würden, selbst wenn sie in
Alarmbereitschaft versetzt worden waren, um nach ihm
Ausschau zu halten.
    Und in acht oder neun Stunden würde er schon jenseits der
Grenze und in Kanada sein, wo Paige bereits auf ihn wartete.
Dann brauchte er nur noch einen netten tiefen See zu finden, der
die Endstation für dieses Auto und all die netten Geschenke auf
dem Rücksitz sein würde.
Und für diesen Knirps mit seiner Medaille vom heiligen
Christophorus.
    Die ehrfurchtgebietende Macht der Polizeibehörde von New
York setzte sich methodisch in Bewegung, als man ein Konzept
entwickelte, um sicherzustellen, daß Jimmy Siddons den
Beamten nicht durch die Lappen ging, nur für den Fall, daß er in
letzter Minute in Panik geriet und entschied, sich doch nicht
nach der Christmette zu stellen.
    Sobald ihr Abhörgerät Callys Telefonate mit Jimmy und
seinem Anwalt aufgezeichnet hatte, hatte Jack Shore die
Information durchgegeben. Er hatte seine Vorgesetzten nicht im
unklaren darüber gelassen, was er von Siddons’ »Entscheidung«,
sich zu stellen, hielt.
    »Das ist ein ausgemachter Bluff«, hatte er gebellt. »Wir halten
ein paar Hundertschaften unserer Leute bis halb zwei oder zwei
in der Frühe fest, und der ist schon halb in Kanada oder Mexiko,
bevor wir merken, daß er uns alle zu einem Haufen Idioten
abgestempelt hat.«
    Schließlich hatte der fü r die Leitung der Großfahndung
stellvertretende Polizeichef scharf erklärt: »Schon gut, Jack. Wir wissen, was Sie denken. Kommen wir jetzt zur Sache. In der
Gegend, wo seine Schwester wohnt, war also nichts von ihm zu
sehen?«
    »Nein, Sir«, hatte Jack erwidert und den Hörer aufgelegt, und
dann war er mit seinem Partner Mort losgegangen, um Cally
einen Besuch abzustatten. Als sie zu dem Lieferwagen
zurückkamen, meldete sich Shore erneut bei der Einsatzzentrale.
»Wir waren gerade wieder in der Wohnung von der Hunter, Sir.
Sie weiß genau Bescheid, was ihr blüht, falls sie ihrem Bruder
auf irgendeine Weise hilft. Die Babysitterin hat gerade ihr Kind
nach Hause gebracht, als wir gingen, und ich gehe davon aus,
daß Cally für den Rest des Abends zu Hause bleibt.«
    Mort Levy runzelte die Stirn, als er zuhörte, wie sein Partner
mit dem stellvertretenden Commissioner sprach. Die Wohnung
hatte irgendwie anders ausgesehen als vormittags, aber ihm
wollte einfach nicht einfallen, was es war. Er ging im Geist noch
einmal den Grundriß durch: die enge Eingangsdiele, das Bad,
das direkt von ihr abging, die schmale Raumkombination von
Küche und Wohnzimmer, das

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