Stille Sehnsucht
ausfallend zu werden, konzentrierte er sich auf das Fleisch in der Pfanne und zuckte zusammen, als Grace ihre Hand auf seinen linken Unterarm legte.
„Ganz davon zu schweigen, dass unser Vorgesetzter es nicht gern sehen würde, wenn wir eine Beziehung hätten, pflege ich nicht mit meinem Bruder zu schlafen.“
Sie hätte ihm genauso gut einen Schlag in den Magen verpassen können, das Ergebnis wäre dasselbe gewesen. Niko war sprachlos. Er hatte mit Vielem gerechnet, aber dass Grace und Tyler Geschwister waren, war ihm nie in den Sinn gekommen. Warum auch? Und wie passte das zu den Gerüchten, die über sie kursierten? Niko runzelte die Stirn.
„Wenn ihr Geschwister seid, wieso denkt dann jeder, ihr habt was miteinander?“
„Wir haben dieselbe Mutter, aber das sieht man uns nicht an. Und dank der verschiedenen Namen fällt es im Revier nicht auf. Außer unserem Boss und einigen engen Freunden weiß keiner davon.“ Grace wandte sich dem Gemüse zu. „Was den Rest deiner Frage angeht, geht uns schlichtweg am Arsch vorbei, was über uns erzählt wird. Für Tyler und mich sind diese Gerüchte sogar praktisch.“ Sie holte eine zweite Pfanne aus dem Schrank, in der das Gemüse landete. „Tyler ist schwul und dazu ein leitender Beamter bei der Polizei. Ein Outing ist für ihn nicht ganz einfach, und so wie einige Kollegen über Homosexuelle denken, verstehe ich, dass er das im Moment nicht will.“
Das konnte Niko nachvollziehen, immerhin war sein eigener Vater das perfekte Beispiel für solche ignoranten Menschen. „Und wie passt du hier rein?“
Grace wendete das Gemüse und Niko hatte auf einmal das untrügliche Gefühl, dass sie nur halb so taff war, wie sie sich nach außen hin gab. Es schien, als hätten Grace und er in dieser Hinsicht einiges gemeinsam. Niko schob den letzten Gedanken energisch beiseite.
„Wenn die Frage zu priv...“
„Ich war verheiratet, bevor ich Polizistin wurde“, fiel Grace ihm ins Wort. „Tyler und ich kannten uns früher gar nicht. Wir wussten zwar voneinander, aber das war's. Er erkannte mich an meinem Namen, als ich vor zehn Jahren auf seinem Revier auftauchte, um Anzeige gegen meinen Mann zu erstatten, weil er versucht hatte, mich totzuschlagen. Er hat dabei unser Baby getötet. Ich hatte in der Nacht eine Fehlgeburt.“
Niko sah sie schockiert an. „Das tut mir leid.“
Grace winkte ab und wendete das Gemüse ein zweites Mal, während Niko die Steaks aus der Pfanne holte. „Wir wurden katholisch erzogen, hatten eine schöne Kindheit und eine gute Jugend. Tylers Homosexualität und meine Scheidung, haben dann einiges verändert. Unsere Mutter ist der Meinung, dass es die Aufgabe der Frau ist, die Ehe zusammenzuhalten. Wie sie über Schwule denkt, spreche ich besser nicht aus. Tylers Vater hat ihn aus dem Haus geworfen, nachdem er ihn mit einem Klassenkameraden beim Küssen erwischte. Und mein Vater sitzt im Knast.“
„Warum?“, wollte Niko wissen und verfluchte sich im nächsten Moment dafür. „Entschuldige, ich wollte nicht neugierig sein.“
„Kein Problem.“ Grace lächelte ihm kurz zu. „Er hat als Steuerberater gearbeitet und einige seiner Klienten betrogen. Dafür hat er zwanzig Jahre gekriegt. Ich habe ihn seit der Scheidung nicht gesehen und auch davor hat er die meiste Zeit nur gearbeitet. Er war kaum da, ehrlich gesagt.“ Grace zuckte die Schultern. „Ich würde lügen, wenn ich behauptete, dass ich von Tyler mehr erwartet habe, aber er hat sich um mich gekümmert. Tyler hat auf mich aufgepasst und ist mitgekommen, als ich meine Sachen aus meiner Wohnung geholt habe. Er war da, als ich eine Schulter zum Anlehnen brauchte. Er hat mir angeboten hier zu wohnen, und da ich nicht wusste, wo ich sonst hin soll, habe ich zugestimmt. Ein paar Monate später wurde ich geschieden, habe mich bei der Polizei beworben und bin offiziell hier eingezogen.“
„So entstanden die Gerüchte“, begriff Niko und Grace nickte.
„Wir waren anfangs genauso überrascht wie du, aber wir haben daraus unseren Nutzen gezogen. Tyler hatte endlich Ruhe vor Frauen und konnte problemlos Affären haben. Ich hatte Ruhe vor Kerlen in und außerhalb des Reviers, weil sich keiner mehr an mich herangetraut hat, nachdem herauskam, wo ich wohne. Tyler hat einen Ruf und er kann richtig hart zuschlagen, wenn es sein muss. Wie gesagt, es ist wirklich praktisch.“ Grace sah ihn an. „Allerdings wirbelst du diese Dynamik zwischen uns seit ein paar Wochen gehörig
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