Stille Sehnsucht
Niko nur mühsam das Lachen verkneifen. Es war zu herrlich, den störrischen Bullen einmal sprachlos zu erleben. Er wäre am liebsten aufgestanden und hätte Tyler für diesen Blick geküsst. Das übernahm Grace für ihn, die lachte und sich auf die Zehenspitzen stellte, um Tyler einen Kuss zu geben, worauf der sie umarmte und sich danach mit Grace zu ihm an den Tisch setzte.
„Bleibst du hier?“, fragte Tyler einige Stunden später, nachdem aus dem Abendessen ein Filmabend mit Chips, Cola und allem möglichen Süßkram geworden war.
Eine spontane Idee von Grace, deren Filmgeschmack Niko überrascht hatte. Nicht, dass er viel Erfahrung mit Frauen hatte, aber die paar, die er kannte, schauten sich definitiv nicht mit so großer Begeisterung Splatter- und Actionfilme an, wie Grace es tat. Die war übrigens gerade in der Küche verschwunden, um sich etwas zu trinken zu holen und Niko wünschte sich, sie hätte es nicht getan.
Er war so überrascht von Tylers Frage, dass er einfach nicht wusste, was er ihm darauf antworten sollte. Zuerst die Einladung zum Abendessen und jetzt sollte er sogar über Nacht bleiben? Niko sah Tyler sprachlos an, bis der lässig mit den Schultern zuckte und sich wieder auf den Film konzentrierte.
„War nur ein Vorschlag.“
Wäre es möglich, hätte Niko sich eigenhändig einen Tritt in seinen dummen Hintern verpasst. So wie er Tyler gerade vor den Kopf gestoßen hatte, konnte er von Glück reden, dass der ihn nicht gleich eigenhändig vor die Tür gesetzt hatte. Er musste sich dafür entschuldigen und es wieder gutmachen, nur wie?
Grace rettete ihm den Arsch, indem sie aus der Küche zu ihnen sah, beide Hände an ihre Wange legte und den Kopf wiegte. Das Zeichen für Schlafengehen, er kannte es aus seiner Kinderzeit. Niko nickte und Grace zwinkerte ihm grinsend zu, bevor sie demonstrativ gähnte.
„Also ich weiß ja nicht, was ihr noch vorhabt, aber ich gehe ins Bett. Gute Nacht, ihr zwei.“
„Gute Nacht“, sagte Tyler im selben Augenblick wie er und sah Niko daraufhin an. „Willst du auch los?“
„Nein“, antwortete Niko und lächelte verlegen. „Wenn ich darf, möchte ich bleiben und dich gleichzeitig darum bitten, mich das nächste Mal vorzuwarnen, bevor du mir so ein Angebot machst. Damit ich dich nicht wieder wie ein Volltrottel anstarre, weil ich nicht weiß, was ich dazu sagen soll.“
Tylers anfänglich verdutzter Blick hatte sich während seiner Worte in einen belustigten gewandelt, und als er fertig gesprochen hatte, lachte sein Bulle leise. „Du bist wirklich unglaublich, Niko Corvin.“
„Das höre ich ständig“, erklärte Niko hoheitsvoll und grinste, als Tyler nur den Kopf schüttelte. „Also? Darf ich bleiben?“
„Bist du sicher?“
Niko war sich mehr als sicher, aber er verstand auch, dass Tyler sich noch mal vergewissern wollte. Sie waren beide nicht mit sonderlich viel Erfahrung gesegnet, was Beziehungen anging, und bis sich das änderte, würde es garantiert noch einige Missverständnisse zwischen ihnen geben. Trotzdem war Niko bereit, es zu versuchen. Eine Erkenntnis, die so überraschend für ihn kam, dass Niko fröstelte, was Tyler nicht entging.
„Alles okay?“
„Ich weiß nicht, wie man Beziehungen führt.“ Tylers Augen weiteten sich, staunend und begreifend zugleich, aber Niko ließ ihn nicht zu Wort kommen. „Ich will keine bedeutungslosen Ficks mehr. Ich will dich. Für mich. Ich will diesen ganzen Kitschkram, den Verliebte haben. Ich will rote Rosen zum Valentinstag und zum Geburtstag.“ Niko musste Luft holen, weil er ohne Punkt und Komma gesprochen hatte. „Ich will alles, auch wenn ich gar nicht weiß, was das eigentlich ist, oder wie ich dir das genauso zurückgeben kann. Aber ich will es trotzdem.“ Niko rieb sich die schwitzenden Hände nervös an seiner Jeans ab. „Ich rede Blödsinn, oder?“
„Nein“, sagte Tyler leise und nahm seine Hand. „Ganz und gar nicht, denn ich will dasselbe.“
„Es tut mir leid“, sagte Niko, in der stillen Hoffnung, dass Tyler verstand, worauf er anspielte, und sah auf ihre ineinander verschlungenen Hände. „Alles, was ich getan habe.“
„Entschuldigung angenommen.“
Tyler verstand ihn. Niko schloss vor Erleichterung die Augen.
„Du warst eifersüchtig auf Grace, nicht wahr?“
„Ja“, gab Niko zu und blickte Tyler wieder an. Er war heilfroh, als der dieses zweite Eingeständnis nicht weiter kommentierte. Es war für ihn schon schwer genug, Tyler gegenüber
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