Stille Sehnsucht
wollte er das wirklich wissen? Eigentlich nicht gestand sich Niko ein und zuckte zusammen, weil Tyler eine Hand auf seine Schulter legte.
Tyler hatte das Schlafzimmer verlassen wollen, als der Anruf sie aus dem Schlaf gerissen hatte, doch Niko war dagegen gewesen und hatte das Handy auf Lautsprecher gestellt, damit sein Bulle mithören konnte. Und jetzt saß er stumm auf der Bettkante und wusste nicht, was er tun sollte. Sich ins Bett legen und weiterschlafen, wäre wohl das Beste, aber Niko viel zu aufgewühlt, um auch nur ein Auge zuzumachen.
„Komm mit.“
Niko sah Tyler fragend an. „Wohin?“
„Den Sonnenaufgang ansehen.“
Niko blinzelte verdutzt. Wo wollte sich Tyler in New York den Sonnenaufgang ansehen? Sie waren umgeben von Hochhäusern, noch dazu war es mitten in der Nacht. „Tyler, es ist mitten in der Nacht.“
„Ich weiß, aber in knapp einer Stunde geht die Sonne auf. Genug Zeit, um da hinzukommen, wo ich mit dir hin will.“
Tyler fackelte nicht länger, sondern stand auf und zog ihn ebenfalls auf die Füße. Niko bekam frische Kleidung in die Hände gedrückt und wurde dann über den Flur ins Badezimmer geschoben. Einige Minuten später schneite Tyler mit zwei Bechern Kaffee herein und ging unter die Dusche, während Niko sich fertigmachte und nebenbei Bounty ein paar Streicheleinheiten gönnte. Dann fiel ihm ein, dass seine Schuhe noch im Schlafzimmer waren und als Niko wieder in den Flur trat, steckte Tyler gerade sein Handy ein.
„Wir können los. Ich fahre.“
„Wohin denn?“
„Geduld“, antwortete Tyler und grinste zufrieden, als er kurz darauf eine SMS bekam. Da saßen sie allerdings schon im Wagen und Niko verkniff sich den Drang, Tyler an die Gurgel zu springen, weil der seine wiederholten Nachfragen einfach ignorierte. „Wir sind fast da“, sagte Tyler schließlich, als Niko gerade den Mund öffnete, um zum fünften Mal zu fragen, wohin es ging.
Zehn Minuten später wusste er es und da bekam Niko seinen Mund dann wirklich nicht mehr zu. Zumindest im ersten Moment, bis Tyler ihn küsste und hinter sich her ins Gebäude zog. Niko hatte keine Ahnung, wie Tyler es angestellt hatte, dass das Rockefeller Center in der Nacht für sie seine Pforten öffnete, aber als er schließlich oben auf der Besucherplattform stand und auf New York City hinuntersah, war es ihm egal.
Der Rundumausblick war atemberaubend schön und Niko fragte sich einen Moment, warum er nie von selbst auf die Idee gekommen war, sich die Stadt etwas genauer anzusehen. Dann legte Tyler seine Arme um ihn und zog ihn an seine Brust, und die Frage wurde unwichtig. Sie waren jetzt hier, gemeinsam. Das war es, was zählte.
„Ich liebe ihn, oder?“ Alex lachte leise und zwinkerte ihm von der Rückbank her zu, als Niko sich zu seinem Bruder umdrehte. „Wieso sitzen wir in einem Auto?“
„Weil du neben Tyler eingeschlafen bist, nachdem ihr euch den Sonnenaufgang angesehen habt. Er fährt dich im Moment durch die Gegend. Ich vermute, er will dich einfach nicht aufwecken. Ganz schön romantisch, wenn du mich fragst.“
„Findest du?“
„Ja“, antwortete Alex lächelnd und nickend zugleich, und Niko runzelte überlegend die Stirn. Romantik und Tyler in seinem Satz, das hörte sich sonderbar an. „Du bist es nur nicht gewohnt“, erriet Alex seine Gedanken und grinste. „Er auch nicht, aber das wird schon noch. Ihr habt Zeit.“
„Wir wollten ins Krankenhaus fahren“, fiel Niko ein, denn Tyler hatte heute die Frühschicht und er wollte ein wenig Zeit mit Mikael und Colin verbringen. Vielleicht frühstücken gehen oder in den Central Park. Da würden sie sich schon einig werden.
„Das läuft euch nicht weg. Schlaf' ruhig ein bisschen, du hast es nötig.“
Niko drehte sich wieder nach vorn und sah zu Tyler. Sein Bulle wirkte irgendwie verschwommen, als wäre er in einer Nebelwand und er selbst würde davorstehen. Ein merkwürdiger Anblick, der ihn gleichzeitig auch ein wenig beruhigte. Tyler war bei ihm und so wollte Niko es haben.
„Er bekommt mit seiner Geliebten ein weiteres Kind.“ Niko wusste nicht, warum er ausgerechnet jetzt davon anfing, aber er konnte nicht anders. „Wir existieren für ihn nicht mehr. Er ersetzt uns wie ein altes Möbelstück, das kaputtgegangen ist.“
„Das war nur eine Frage der Zeit. Er braucht einen Erben und wir kommen dafür nicht mehr infrage.“
„Du sagst das so, als wäre es dir egal, dass er dich... uns alle... einfach abgeschoben hat.“
„Das ist es
Weitere Kostenlose Bücher