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Stille Wasser sind toedlich

Stille Wasser sind toedlich

Titel: Stille Wasser sind toedlich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlie Higson
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Aale, an die er keinesfalls denken wollte. Dieser Tunnel führte zum See. Zu ebenjenem See, aus dem sie Meatpackers halb zerfressenen Körper gezogen hatten.
    Gut, er war zwar mit blauen Flecken übersät, aber bis jetzt hatte er sich nicht ernsthaft verletzt. Wenn dies auch weiter so bliebe, würden die Biester ihn vielleicht in Ruhe lassen. Es war eine schwache Hoffnung, an die er sich klammerte, aber es war seine einzige.
    Am besten, er dachte nicht lange darüber nach. Es gab nur eins: Augen zu und durch. Er glitt ins Wasser und ruderte zum Eingang des Tunnels.
    Es war wirklich nichts dabei, redete er sich ein, es war ein Kinderspiel. Nichts konnte schief gehen, außer dass man im Tunnel stecken blieb und ertrank oder von den Aalen gefressen wurde. Es war nichts dabei.
    Langsam holte er Luft, so tief er konnte, dann tauchte er in die Öffnung des Tunnels hinein.
    Mit ausgestreckten Armen ruderte er vorwärts und paddelte gleichzeitig mit den Füßen; die Kleiderbündel hüpften neben ihm her. Für kurze Zeit kam er zügig voran, aber dann spürte er Felsgestein auf einer Seite. Der Tunnel wurde schmäler. Aber das machte nichts, er konnte sich ja daran festhalten und sich auf diese Weise vorwärts ziehen; so käme er noch schneller voran. Und er musste sich beeilen – seine Lungen begannen schon zu brennen, da sie sich mit giftigem Kohlendioxyd füllten, das sein überanstrengter Körper produzierte. Er musste die Luft so lange wie möglich anhalten, um so viel von dem wertvollen Sauerstoff zu verwerten, wie er nur konnte, und auch, um etwas Auftrieb zu erhalten. Aber der Wasserdruck presste unerbittlich die Lungen zusammen und James wusste, dass er es nicht mehr lange aushalten würde.
    Weiter vorne wurde der Tunnel noch enger, sodass James auf beiden Seiten die Wände streifte. Bitte, lieber Tunnel, bettelte er, werde nicht so eng, dass ich nicht mehr hindurchpasse. Und bitte, bitte, verletze mich nicht mit scharfkantigen Steinen.
    Er durfte unter keinen Umständen irgendwo am Körper bluten. Wie lange war er nun schon hier unten? Vielleicht dreißig Sekunden, vielleicht auch nur zwanzig. Egal, er musste sich einfach durch tiefste Schwärze hindurch vorantasten.
    Plötzlich spürte er, wie etwas an den Kleiderbündeln zerrte und zog, und dann bemerkte er, wie sich etwas an ihn presste, nichts Hartes wie ein Stein, sondern etwas Weiches, Schleimiges, Lebendiges. Ein Aal. Und noch einer. Sie waren zusammen mit ihm hier im Tunnel. Es war ihr Tunnel. James stellte sich vor, dass er von ihnen umzingelt war, malte sich aus, wie ihre neugierigen Mäuler aus den Felsspalten herausglitten, das Wasser schmeckten, ihn schmeckten. War er verletzt? Er konnte es unmöglich sagen; sein Körper war taub und wurde mit jeder Sekunde tauber. Nicht gefühllos genug, als dass er nicht einen weiteren Aal hätte spüren können, der an seinem Bein entlangglitt und mit dem Maul gegen seinen Bauch stieß. James wand sich im Wasser hin und her und schüttelte ihn ab.
    Jetzt nur nicht in Panik geraten.
    Los, ihr Aale, zeigt mir, wo es langgeht! Führt mich raus aus dieser Falle.
    Der Schmerz in seinen Lungen wurde allmählich unerträglich, daher ließ James ein klein wenig Luft ab. Daraufhin ging es ihm etwas besser, aber er wusste, dass nicht mehr viel Sauerstoff übrig war.
    Ein größerer Aal glitt nun an seinem Körper entlang, tastete ihn mit seinem weit geöffneten Maul ab. Ein zweiter ringelte sich um seinen linken Knöchel, und als James die Hand ausstreckte, berührte sie etwas Fettes, Schleimiges, das sich zwischen seinen Fingern hindurchwand und mit einem kraftvollen Schwanzschlag davonschoss.
    Einen Augenblick lang hatte sich James ganz auf die Aale konzentriert, nun stellte er entsetzt fest, dass der Zugang immer schmäler wurde. Noch etwas weiter, und er konnte nicht mehr umkehren. Dann blieb nur noch der Weg nach vorne. Wohin nach vorne? In einen Tunnel, der sich womöglich noch weiter verengte? Dann säße er unweigerlich fest, unfähig, sich von der Stelle zu bewegen, ohne Atemluft, umgeben von den wartenden Aalen.
    Würden sie mit ihrem Festschmaus warten, bis er tot war? Oder würden sie ihn bei lebendigem Leibe fressen?
    Denk nicht darüber nach! Entscheide dich! Vorwärts in das Unbekannte? Oder zurück in die dunkle Höhle?
    Inzwischen hatte er bereits so viel Zeit verloren, dass er nicht einmal mehr sicher war, ob seine Luft ausreichen würde, um in das unterirdische Becken zurückzukehren, insbesondere da er

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