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Stille Wasser

Stille Wasser

Titel: Stille Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Anne Gilman , Josepha Sherman
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bestimmt davon überzeugen, dass wir hier nichts zu verbergen haben.
    »Komm schon, Will, du weißt doch, dass dort die kompletten Jahrgänge von Geheimnisse des Meeres rumfliegen, von 1890
    bis 1910.« Sie schenkte Dr. Lee ihr unschuldigstes ›Gott-bin-ich-blond‹-Lächeln. »Was red ich da nur? Damit können Sie sicherlich sowieso nichts anfangen, oder? Ich meine, das ist alles sooo lange her, das interessiert heute bestimmt niemanden mehr!«
    Ihre Blonde-Torte-Nummer nötigte ihm lediglich den Hauch eines Lächelns ab. »Nein, meine Gute. Natürlich nicht.« Er blickte in die Runde und deutete eine Verbeugung an.
    »Verzeihen Sie, dass ich Ihre kostbare Zeit in Anspruch genommen habe.«

    Die Bibliothekstür fiel hinter ihm mit einem klickenden Geräusch wieder ins Schloss und Lee fragte sich verärgert, wie er es hatte zulassen können, von diesem auf Tweed versessenen Bibliothekar auf solch plumpe Art und Weise abgefertigt zu werden. Sie wussten etwas, er konnte es förmlich riechen. Es stank hier gewaltig nach Geheimniskrämerei.
    Nachdem Ritchie ihm davon berichtet hatte, dass ein junges Mädchen den Strand an jenem Morgen nach der Ölkatastrophe angeblich in größter Eile verlassen habe und davongeradelt sei mit etwas im Arm, das sich krampfhaft an ihr festzuklammern schien... Es war nicht schwierig gewesen herauszufinden, wer dieses Mädchen war, wo sie wohnte und an welchen Orten sie 115

    für gewöhnlich anzutreffen war. Sie waren clever genug gewesen, keine unzweideutigen Hinweise in der Bibliothek herumliegen zu lassen, und einen Haussuchungsbefehl konnte er schwerlich erwirken. Aber nach elf Jahren der ununterbrochenen Jagd gab es für ihn keinen Zweifel.
    Sie verbargen ein Selkie.
    Was soll’s. Es kann mir nicht mehr entkommen, dachte Lee.
    Nachdenklich ging er weiter und wäre um ein Haar mit einer hoch aufgeschossenen, langbeinigen Brünetten zusammengerannt, die gerade den Gang entlanggetippelt kam.
    »Oh.«
    »Ich bitte vielmals um Verzeihung«, entschuldigte er sich höflich. »Ich fürchte, ich war ein wenig abwesend.«
    »Das geht den meisten so, wenn sie aus der Bücherei kommen«, erwiderte das Mädchen. »Überall ist es besser als an diesem Ort.«
    Hellhörig geworden, betrachtete er seine neue Bekanntschaft etwas genauer. Möglicherweise eine Verbündete? Ja, möglicherweise, wenn er es geschickt anstellte...
    »Das klingt ja beinahe so, als hätten Sie bereits die ein oder andere Auseinandersetzung mit dem Bibliothekar gehabt, diesem Mr....«
    »Giles«, sagte sie und warf ihr Haar mit einem gekonnten Kopfschwung nach hinten, sodass es wieder perfekt über ihre Schultern fiel. »Eigentlich ist er gar nicht so übel. Ein bisschen spießig vielleicht, aber –“
    »Aber die Schüler, die dort herumhängen?«
    Lee konnte auf eine jahrelange Erfahrung im Umgang mit Teenagern zurückblicken. Zugegeben, meist handelte es sich dabei um Jugendliche im College-Alter, die ihm die Bude einrannten, um vom Institut einen Praktikumsplatz oder ein Stipendium bewilligt zu bekommen, doch im Grunde genommen waren sie, wenn es um Emotionen ging, alle gleich.

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    Er spielte in Gedanken ein paar Möglichkeiten durch und wagte einen Schuss ins Blaue.
    »Dieses rothaarige Mädchen, Willow, kann ziemlich Besitz ergreifend sein, oder? Ich hatte beinahe das Gefühl, dass sie durch mein Erscheinen ihr Territorium bedroht sah.«
    Die Körpersprache der Brünetten veränderte sich schlagartig und im gleichen Moment wusste er, dass sein Schuss ins Blaue mitten ins Schwarze getroffen hatte. Er lächelte sie väterlich an.
    »Sie würden mir wirklich einen großen Gefallen erweisen, wenn Sie mir die Situation ein wenig genauer darlegen könnten. Nur damit ich, sollte ich mal wieder ein paar Informationen benötigen, keinen Fehler mache.« Er unterbrach sich und schaute auf die Uhr. »Es ist bereits nach zwölf – falls Sie noch nicht gegessen haben, dürfte ich Sie vielleicht zum Lunch einladen?«
    Cordelia musterte den Mann mit prüfenden Blicken, natürlich so unauffällig wie möglich, und während die eine ihrer Gehirnhälften das von ihm ausgehende Gefahrenpotential abzuschätzen versuchte, war die andere bereits damit beschäftigt, sein Outfit in investierte Dollars umzurechnen.
    Jackett, na ja. Hemd, Baumwolle, aber gute Qualität. Hosen, geht so, nichts Besonderes. Obwohl die Schuhe ganz schick sind. Auf jeden Fall italienisch.
    »Tut mir Leid, wir dürfen das Schulgelände nicht verlassen.«
    Das war

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