Stiller und der Gartenzwerg - Main-Krimi
den Wassereimer auf. Grußlos zog er die paar Meter zum Brunnen weiter. Dort angekommen, drehte er sich noch einmal zu Stiller um.
»Weil wir es gerade von Maulwürfen hatten: Pass an dieser Stelle gut auf.« Er wies mit dem Werkzeugkasten auf einen braunen Fleck am Boden.
Stiller kniff die Augen zusammen. Es war eine Art Deckel, kreisrund, aus Brettern zusammengezimmert.
»Hier gibt es einen alten Brunnenschacht«, rief Mooser. »Genau zwischen dem Pumpbrunnen und deiner Hütte. Geht bestimmt vier, fünf Meter runter. Ist zwar abgedeckt, aber so verlottert, wie hier alles ist … Man weiß ja nie.« Rumpelnd setzte er die Werkzeugkiste auf dem Holzdeckel ab. »Scheint zu halten.«
»Ich werd’s mir merken.«
Stiller wartete, bis sich Mooser mit dem Brunnen beschäftigte, und kehrte in die Hütte zurück. Eine Weile stand er grübelnd vor den Flipcharts, dann wandte er sich der Pinnwand zu. In der Mitte war ein einzelnes Blatt aus Pappkarton festgepinnt. »Strunke« stand auf dem roten Rechteck.
»Also gut«, sagte Stiller zu sich selbst, fischte zwei weitere Papprechtecke vom Tisch, ein gelbes und ein giftgrünes, suchte einen Filzstift und begann zu schreiben. Als er fertig war, heftete er die Pappen auf den Stoff. »Die Gärtner« hatte er auf dem gelben Rechteck notiert und auf dem grünen »Die Ehefrau«.
6
Strunkes Frau sah verdammt gut aus: Das war das Erste, was Strobel registrierte, als er das Verhörzimmer betrat. Kaum zu glauben, dass sie gut zehn Jahre älter sein sollte als er. Noch weniger verstand er, was sie je an Strunke gefunden haben mochte. Auch wenn er ihn nur als Toten gesehen hatte, er war ihm doch eher alt und ungepflegt erschienen mit dem schütteren weißen Haar, dem Feinrippunterhemd und der Jogginghose. Ursula Strunke dagegen sah nicht nur gut aus, sie legte offensichtlich auch Wert auf eine gepflegte Erscheinung.
Ein Beamter hatte sie hierherbegleitet, jetzt stand er, Rücken zur Wand, neben der Tür. Als Strobel ihm zunickte, legte er die Hand an die Dienstmütze und ging.
Ursula Strunkes Blick folgte Strobel, während er zum Tisch schritt. Er musterte sie ebenso unverhohlen. Bis auf dezenten Lippenstift war ihr Gesicht ungeschminkt und fast faltenlos. Ihr nackenlanges Haar war dunkelblond gefärbt, wie die leicht grauen Ansätze verrieten. Sie war schlank. Eine ärmellose Bluse gab sportliche, etwas sehnige Arme frei.
Strobel registrierte auch das. Diese Frau hätte durchaus die tödlichen Schläge führen können.
Er legte den Aktenordner, den er bei sich trug, auf den Tisch neben das digitale Aufnahmegerät und reichte ihr die Hand. »Danke, dass Sie sich die Zeit genommen haben«, sagte er, setzte sich ihr gegenüber, klappte den Ordner auf und ließ den Blick zur Decke schweifen.
Die beiden Kameras, die in gegenüberliegenden Ecken angebracht waren, liefen, das war an den roten Lichtpunkten zu erkennen. Jedes Soko-Mitglied konnte das Gespräch von seinem PC aus mitverfolgen. Drei hatte er darum gebeten: Claudia Junk, die Ursula Strunke bereits zweimal befragt hatte, Bühler, der jedes Detail vom Tatort abrufbereit in seinem Kopf gespeichert hatte, und einen Mitarbeiter des kleinen Teams, das dem Alibi von Ursula Strunke und ihrem Lebensgefährten Thomas Nadele nachging. Zusätzlich würde er das Gespräch aufzeichnen.
Er schaltete das Aufnahmegerät ein.
Ursula Strunke beugte sich nach vorn. »Sagen Sie mir bitte zuerst, weshalb ich hier bin. Als Zeugin?«
»Haben Sie den Mord an Ihrem Mann beobachtet?«, fragte Strobel zurück.
»Natürlich nicht.« Sie seufzte. »Demnach bin ich als Verdächtige hier, nicht wahr?«
»So würde ich das nicht ausdrücken.« Strobel überlegte, wie viel er preisgeben sollte. »Betrachten Sie das hier als eine Befragung. Es gibt in Ihren bisherigen Aussagen noch Lücken und Ungereimtheiten, die ich gerne ausräumen möchte. Vorher kann und darf ich Sie nicht von der Liste der Verdächtigen streichen.« Er lächelte sie aufmunternd an. »In einem anderen Punkt sind Sie Zeugin: Ich hätte gerne ein wenig mehr über Ihren Mann gewusst.«
»Ex-Mann.«
Strobel sah sie erstaunt an. »Nach unseren Erkenntnissen stand die rechtskräftige Scheidung noch aus.« Sofort ärgerte er sich über die hölzerne Formulierung – eine Unart, die er ebenso wenig ablegen konnte wie das Knacken mit den Fingern.
»Er ist tot.« Ursula Strunke drückte sich umso klarer aus.
»Das ist wahr.« Strobel räusperte sich. »Fangen wir mit den Personalien an.
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