Stiller und der Gartenzwerg - Main-Krimi
»Jetzt bist du weltweit vernetzt.«
»Schön«, sagte Stiller. »War tatsächlich kein Hexenwerk. Und wo ist der Drucker?«
Sie runzelte die gepiercten Brauen. »Wozu brauchst du einen Drucker?«
»Kerstin, ich bin Printredakteur. Papier ist mein Medium. Ich möchte mir vielleicht das eine oder andere ausdrucken.«
Sie stemmte die Fäuste in die Taille und sah ihn verächtlich an. »Aber das Rad haben sie in deiner Welt hoffentlich schon erfunden.« Dann rang sie sich ein Lächeln ab und beugte sich über den Koffer. »Simsalabim«, wiederholte sie, als sie einen flachen Drucker hervorzauberte. Sie schloss ihn an die Dreifachsteckdose und den Laptop an. »Papier?«
Stiller deutete auf einen Stapel auf dem Tisch.
»Mann denkt hin und wieder mit.« Ihre raue Stimme klang freundlicher. »Trotzdem!« Sie fischte ein Bündel Papier aus dem Koffer und schob es in den Drucker. »Fertig.«
»Gut«, sagte Stiller. »Zur Belohnung koch ich uns jetzt einen Kaffee.«
Mit dem Pott in der Hand betrachtete sie die Flipcharts, als handele es sich um moderne Kunst.
»Wir brauchen …«, las sie vor. »Was heißt ›wir‹? Recherchiert ihr jetzt beide? Du bist doch sonst lieber der einsame Wolf.«
»Hm.« Stiller klimperte probeweise auf dem Notebook herum. »Frag jetzt bloß nicht, wer hier das Herrchen ist und wer der Hund.«
»Jedenfalls weiß ich, wer früher der Spürhund war – und jetzt das Schoßhündchen spielt.«
Stiller spürte, dass sie es freundlicher gemeint hatte, als es klang. »Wenn du schon dabei bist, lies doch bitte vor«, forderte er sie auf.
»Was wir brauchen?«
Stiller nickte.
»Also: Wir brauchen … Erstens: einen Lageplan der Kleingartenkolonie.«
»Schon erledigt«, sagte Stiller. »Kleinschnitz hat den Plan im Schaukasten abfotografiert und bringt einen vergrößerten Ausdruck mit.«
»Zweitens: eine Liste der Pächter.«
»Das wird schon schwieriger. Ich weiß, wo wir die Liste finden, aber noch nicht, wie wir rankommen.«
»Wo?«
»Im Vereinsheim. Aber das Büro dort ist sicher abgeschlossen.«
Kerstin angelte sich einen Filzstift vom Tisch und notierte »Vereinsheim« hinter Punkt zwei. Dann spazierte sie zum nächsten Flipchart. Dessen oberste Papierbahn war mit einer senkrechten Linie in zwei Hälften geteilt. »Verdächtige« stand unterstrichen über der linken Spalte, »Motive« über der anderen.
»Kann ich schon was notieren?«
Stiller nickte. »Kohl«, diktierte er. »Und Pavillon. Außerdem Mangold und Kinder.« Er erzählte ihr, was er von Gerti Blum erfahren hatte.
Kerstin warf den Stift auf den Tisch zurück, stellte den leeren Alukoffer vom Stuhl auf den Boden und setzte sich. »Paul!« Wieder klang ihr Ton rau, aber freundlich. »Denk bitte mal nach. Das sind doch keine Mordmotive.«
Sie schwiegen einen Moment. Gedämpft drang Vogelgezwitscher in die Laube.
»Ich meine es wirklich gut mit dir. Du machst dich hier lächerlich.«
Stiller schüttelte den Kopf. »Ich hab so ein Gefühl.«
»Gefühle hab ich auch, ob du es glaubst oder nicht. Aber Journalisten leben von Fakten. Und Fakt ist: Kein Familienvater bringt jemanden um, der sich über Kinderlärm beschwert. Da müsste er ja die halbe Menschheit beseitigen.«
»Ich stehe noch am Anfang«, gab Stiller trotzig zurück.
Kerstin schnaufte. »Am Anfang einer Sackgasse. Warum hängst du dich da überhaupt so rein? Das ist doch nicht dein Job!«
»Ich hatte das auch gar nicht vor. Ich bin da zufällig reingeraten. Chaotisch-intuitiv.« Er zwinkerte ihr zu, aber sie verzog keine Miene. »Ich wollte bloß diesem Dorn nicht verraten, dass ich von der Zeitung bin, aus Angst, dass er mir nichts mehr erzählt. Aber jetzt hab ich Blut geleckt. Die Polizei scheint auf Strunkes Frau zu tippen – und ich bin überzeugt: Genau das ist die Sackgasse.«
»Strobel wird wissen, was er tut.«
»Mir ist das zu banal«, verteidigte sich Stiller. »Strunke und seine Frau haben sich getrennt. Na schön. Reicht das für einen Mord?«
»Für einen? Für die Hälfte aller Morde! Und das ist wahrscheinlich noch zu tief gegriffen. Du hast doch jetzt Internet, schau mal in die Statistik.«
»Ich hab vielleicht noch nicht in die Statistik geschaut, aber ins Archiv. Du glaubst gar nicht, was sich in bundesdeutschen Kleingartenkolonien abspielt. Dramen über Dramen. Warte mal …« Er beugte sich über die Eckbank und griff nach einem Stapel Fotokopien. Carsten, der Archivleiter, hatte sie tags zuvor noch vorbeigebracht. Er legte
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