Stiller und der Gartenzwerg - Main-Krimi
spätestens in einer Dreiviertelstunde bei ihm.« Er dachte nach. »Nimm ihm was zu lesen mit. Auf meinem Schreibtisch liegt die Zeitung.«
Claudia Junk errötete, ein untrügliches Zeichen dafür, dass sie ihm widersprechen wollte. »Ist das dein Ernst? Der Mord an Strunke ist der Aufmacher im Lokalteil.«
Strobel machte eine wegwerfende Handbewegung, bevor er das Tablett nahm und sich zur Tür wandte. »Nadele hat den Beitrag doch längst gelesen. Da steht nichts drin, was er nicht wissen sollte. Dieser Stiller hat sich völlig in die Kleingärtner verbissen.«
Strobel stellte das Tablett auf dem Tisch im Verhörzimmer ab und reichte Ursula Strunke eine Tasse, bevor er sich setzte. Sie bediente sich bei Milch und Zucker. Er wartete, bis sie umgerührt und einen Schluck genommen hatte. Sie wirkte wieder gelassen.
Er entschloss sich, erneut die Richtung zu wechseln. »Warum haben Sie Josef Strunke überhaupt geheiratet?«
Sie schwieg.
»Ich höre?«
»Ich war noch so jung …«
»Vierundzwanzig«, präzisierte Strobel. »Er war vierunddreißig. Und Gartenliebhaber. Haben Sie das damals nicht gewusst?«
»Ich habe ihn sogar auf einer Gartenparty kennengelernt. Beim Radieschenfest. Das feiern sie jeden Mai. Ich hatte gerade eine gescheiterte Beziehung hinter mir, und eine Freundin hatte mich überredet, mit ihr auf das Fest zu gehen, damit ich auf andere Gedanken komme. Da bin ich ihm zum ersten Mal begegnet.«
»Und?«
»Wie gesagt, ich war jung.« Sie schloss die Augen, als wollte sie sich die Bilder von damals in Erinnerung zu rufen. »Er war stattlich, lebensfroh. Stand während des ganzen Festes im Mittelpunkt, führte das große Wort. Ich hab gleich gespürt, dass er bei mir Eindruck schinden wollte. Und er hat mich auch beeindruckt, keine Frage. Er forderte mich zu einem Walzer auf. Die Freunde, die ich bis dahin gehabt hatte, wollten nie auch nur einen Fuß auf eine Tanzfläche setzen. Nein, er war anders …«
»Und wohlhabend«, warf Strobel ein.
Schlagartig war es mit ihrer Gelassenheit vorbei. »Was wollen Sie damit sagen?«, rief sie erregt. »Dass es mir ums Geld ging? Dass ich so eine bin?«
Strobel versuchte sie zu beschwichtigen. »Ich wollte nichts dergleichen unterstellen, Frau Strunke. Andererseits ist das Vermögen Ihres Mannes kein unwesentliches Detail.«
Sie nahm die Kaffeetasse, stellte sie aber wieder ab, weil ihre Hand zitterte. »Davon habe ich zuerst gar nichts gewusst. Ich hatte zwar schon beim Radieschenfest ein bisschen rumgefragt, es hieß aber nur, dass er bei der Bahn war. Irgendein hohes Tier, das die Arbeitsplätze von anderen wegrationalisiert. Schlecht angesehen, aber gut bezahlt. Dass er neben den Einkünften noch was im Hintergrund hatte, hab ich erst viel später erfahren, da waren wir längst zusammen.«
»Das Vermögen hat also keine Rolle gespielt?«
»Nicht so, wie Sie das meinen. Es ging mir nicht um Geld. Aber er hat es natürlich benutzt, um mich zu kriegen. Er hat mir teure Geschenke gemacht, das ist richtig. Oder er hat mich in schöne Lokale ausgeführt. Ich durfte mir schicke Sachen kaufen, er wollte sie immer bezahlen. Das war aber schon alles. Keine Luxusklamotten, keine Traumreisen, kein Sportwagen – nichts, worauf die Frauen abfahren, die Sie vielleicht kennen.«
»Und der Garten?«
»Natürlich war da schon der Garten. Ich hab’s Ihnen aber schon gesagt: Am Anfang hat er sich noch mehr um mich gekümmert. Richtig verwöhnt hat er mich. Das andere kam später.«
»Nach der Hochzeit?«
»Noch nicht sofort, aber bald danach ging es los. Ich hab mich wahrscheinlich auch verändert. Aber er ganz sicher. Er verlor nach und nach jeden Humor, gleichzeitig wurde er total kniefieselig. Ein richtiger Giftzwerg. Nicht mal mehr unter seinen Kleingärtnern war er beliebt. Wissen Sie, wie sie ihn nannten? E 605. Das sagt doch alles.«
Sie legte eine Pause ein, bevor sie fortfuhr: »Ich hatte oft darüber nachgedacht, ihn zu verlassen. Aber da war zum einen die Hoffnung, dass alles werden könnte wie früher, vielleicht sogar mit meiner Hilfe. Und dann – ich hatte Angst davor, plötzlich wieder ganz allein zu sein. Erst durch Thomas …«
Strobel überging den Hinweis auf ihren neuen Partner und blätterte in seinen Unterlagen. »Frau Strunke«, sagte er, als er das gesuchte Blatt gefunden hatte, »ihr Mann besaß gut eine Million Euro, hübsch verteilt auf diverse Banken, Depots und Konten. Woher kam das Geld eigentlich?«
Wieder nahm sie die
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