Stiller und der Gartenzwerg - Main-Krimi
ihm das nicht einfach sagen können?«
»Was sind Sie? Ein Eheberater? Zuerst hatte ich es mit Gummihandschuhen probiert. Als das nichts nützte, habe ich es ihm natürlich gesagt. Sie hätten hören sollen, was da los war.«
»Er wurde gewalttätig?« Strobel blätterte im Aktenordner. »Sie haben ins Scheidungsverfahren eingebracht, dass Ihr Mann Sie wiederholt geschlagen hat.«
Sie zögerte erneut, bevor sie antwortete. »Das ist richtig.«
»Ihre Weigerung, ich sag mal: Produkte aus dem Garten weiterzuverarbeiten, war das der Anlass?«
»Nicht der einzige. Ich hatte auch keine Lust mehr, überhaupt noch in den Garten mitzukommen. Wenn ich mich dort wenigstens hätte entspannen können. In der Hängematte die Seele baumeln lassen. Aber das hat er als Vorsitzender der Anlage ja höchstpersönlich verboten. Hat sich im Radieschenparadies aufgespielt wie der liebe Gott. Wer sich nicht abrackerte, flog raus.«
»Verstehe«, sagte Strobel.
»Ich weiß nicht, ob Sie das wirklich verstehen.« Sie atmete tief aus. »Das war einfach nicht meine Welt. Alles war so eng. Ich meine nicht nur den Garten, sondern auch den Geist. Es gab da niemanden, mit dem ich mich hätte unterhalten können. Worüber auch? Es waren immer die gleichen Themen. Dass die Pfingstrosen im Vorjahr später geblüht haben, die Tomaten heuer früher reif sind, die Schnecken noch nie so zahlreich waren. Im April ging es los, jedes Jahr das gleiche Lied: Der Maikäfer steht schon vor Alzenau … Man hatte den Eindruck, eine feindliche Armee rücke auf Aschaffenburg vor. Und wenn die Pflanzen und Schädlinge keinen Stoff mehr hergaben, blieb immer noch das Wetter. Zu trocken, zu nass, zu warm, zu kalt. Richtig war es sowieso nie.«
»Er hat es Ihnen also verübelt, dass Sie sich nicht mehr an der Gartenarbeit beteiligen oder in den Garten mitkommen wollten?«
Sie legte die Hände in den Schoß und verschränkte die Finger. »Vielleicht rede ich mich hier um Kopf und Kragen. Aber ich will offen sein: Verübelt ist ein zu schwaches Wort. Er ist regelrecht ausgerastet.«
»Deshalb wollten Sie die Scheidung?«
»Nicht nur deshalb. Unsere Ehe war schlichtweg am Ende. In all den Jahren haben wir kein einziges Mal Urlaub gemacht, wie andere Paare das tun. Wenn er überhaupt mit mir weggefahren ist, dann zu irgendeiner Bundes- oder Landesgartenschau. Von den Städten hab ich da wenig mitgekriegt. Wieder ging es nur um Beete, Beeren und Botanik …«
»Sie haben auch darüber mit ihm gesprochen?«
»Ich habe alles versucht. Ich habe ihm vorgeschlagen, wir könnten mal nach England reisen, die englischen Landschaftsgärten besichtigen. Aber die interessierten ihn nicht, weil er keinen Nutzen für den eigenen Garten daraus ziehen konnte. Außerdem hätten wir doch den Park Schönbusch vor der Haustür, den schönsten englischen Landschaftsgarten Deutschlands. Das müssen Sie sich vorstellen, es war ein Witz! Wenn es um die Kultivierung von Salatköpfen ging, musste ich mir weiß Gott wo anschauen, was wir auch vor der Haustür hatten.«
Sie wirkte erschöpft, stützte die Ellbogen auf die Tischplatte und legte die Stirn auf die Handballen. Strobel gab ihr Zeit, wartete, bis sie den Kopf wieder hob und ihn über die Hände hinweg ansah.
Sie hatte Tränen in den Augen. Strobel fragte sich, ob das gespielt war.
»Kann ich einen Kaffee haben?«
Er nickte erst ihr zu, dann in die Kamera. »Möchten Sie rauchen?«, fragte er freundlich.
Sie lehnte ab. Er erhob sich und öffnete die Tür. Der Beamte trat ein und stellte sich wie zuvor auf seinen Platz an der Wand.
»Lassen Sie ruhig offen«, sagte Strobel und schlug den Weg zur Kaffeeküche ein.
Claudia Junk erwartete ihn bereits.
»Und?«, fragte Strobel, während er die Kanne aus der Kaffeemaschine zog und zwei Tassen füllte. »Was meinst du?«
»Klingt aufrichtig.«
»Ich weiß nicht. Mir waren die Tränen zu dick. Außerdem sind wir noch nicht beim Motiv.« Er stellte die Tassen sowie einen Zuckerstreuer auf das Tablett und suchte im Kühlschrank nach Milch. »Was macht Nadele?«
Strobel hatte Ursula Strunkes Lebensgefährten zur selben Zeit in die Polizeidienststelle bestellt. Die beiden sollten keine Möglichkeit bekommen, zwischen den Befragungen Kontakt miteinander aufzunehmen.
»Er wird langsam nervös. Hat schon ein paarmal gefragt, wie lange er noch herumsitzen soll. Droht mit dem Anwalt.«
»Bring ihm bitte auch einen Kaffee«, sagte Strobel. »Wenn es weiter so läuft, bin ich
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