Stiller und der Gartenzwerg - Main-Krimi
Sie sind Ursula Strunke, fünfzig Jahre alt, wohnhaft Brückenstraße 3 in Aschaffenburg-Damm?«
Sie bejahte.
»Würden Sie mir bitte schildern, wo Sie sich am gestrigen Montag zwischen halb fünf und halb sieben aufgehalten haben?«
Geduldig wiederholte sie, was sie Claudia Junk bereits angegeben hatte.
»Zwischen fünf und sechs Uhr waren Sie demnach an der Aschaff joggen«, fasste Strobel zusammen. »Sie sind wie immer von Ihrem Haus direkt dorthin gelaufen?«
Es entging ihm nicht, dass sie kurz zögerte. »Ja«, sagte sie dann. »Warum fragen Sie?«
»Vielleicht haben Sie an diesem Morgen einen kleinen Umweg gemacht?«
»Nein«, antwortete sie fest. »Alles war wie immer.«
Strobel dachte an die Aussage der Nachbarin, nach der Ursula Strunke und ihr Partner in die entgegengesetzte Richtung losgelaufen waren. Es erschien ihm zu früh, sie damit zu konfrontieren. »Gibt es jemand, der das bestätigen kann?«, fragte er stattdessen.
»Thomas Nadele, mein Lebensgefährte.«
Strobel nickte. »Davon abgesehen: Sind Ihnen andere Jogger begegnet? Spaziergänger? Nachbarn?«
»Ich glaube schon.« Ihr Ton klang eine Nuance reservierter.
»Sie sind sich nicht sicher?«
»Beim Joggen begegnen uns ständig irgendwelche Leute. Ich hab nicht drauf geachtet. Das tu ich nie. Ich kenn sie auch gar nicht näher.«
»Bitte denken Sie nach. Ein Einziger würde mir genügen.«
Sie schwieg eine Weile, dann schüttelte sie den Kopf.
Strobel deutete auf das Aufnahmegerät.
Sie verstand. »Nein. Ich kann mich an niemand Bestimmten erinnern, leider.« Sie sah Strobel herausfordernd an: »Aber ich war joggen, ob Sie mir das jetzt glauben oder nicht. Ich habe meinen Mann nicht umgebracht.«
»Es geht nicht darum, ob ich Ihnen glaube. Schlimmstenfalls müssen Sie den Haftrichter davon überzeugen. Aber so weit sind wir noch nicht. Vielleicht fällt Ihnen doch noch jemand ein.«
Die Soko hatte am frühen Morgen die Suche nach Zeugen in den Aschaffauen fortgesetzt – erfolglos. Die Beamten hatten fast zwei Dutzend Jogger befragt. Nur drei von ihnen waren am Morgen des Vortags ebenfalls unterwegs gewesen, aber sie hatten Ursula Strunke und Thomas Nadele nicht gesehen oder erinnerten sich zumindest nicht daran. Strobel entschied sich, sie auch darauf nicht anzusprechen. Er durfte diesen Punkt nicht überbewerten, noch nicht. Jogger, die nur ungefähr zur selben Zeit unterwegs waren, mussten sich nicht zwangsläufig begegnen. Schon gar nicht, wenn sie in dieselbe Richtung liefen, also hintereinander, und ihr Tempo nicht zu stark differierte.
Andere Punkte waren belastender.
»Sie wollten sich also von Josef Strunke trennen«, schlug er eine neue Richtung ein.
»Ich wollte die Scheidung«, bestätigte sie. »Aber keinen Mord.«
»Und warum?«
Sie lehnte sich zurück. »Wie lange haben Sie Zeit?«
»So lange Sie möchten.«
Sie seufzte. »Ich kann es ganz kurz machen. Das Radieschenparadies war sein Ein und Alles. Für mich war es die Hölle.«
»Erzählen Sie.«
»Genau genommen war mein Mann mit seinem Garten verheiratet.« Sie massierte ihren Nacken, während sie weitersprach. »Mit ihm hat er jedenfalls mehr Zeit verbracht als mit mir. Am Anfang hat er sich noch um mich gekümmert, am Ende ausschließlich um sein Gemüse. Ich war ihm völlig egal geworden. Hauptsache, den Karotten ging’s gut. Sie haben ja keine Ahnung …«
»Sie teilten seine Vorliebe für die Gartenarbeit also nicht?« Insgeheim verstand Strobel sie sehr gut. Er hielt sich eine Apartmentwohnung in der Innenstadt, da gab es keine Gärten, und das war gut so. Sein Beruf füllte ihn aus. Wenn er nach Hause kam, war er froh um die Zeit, die er Sabine widmen konnte. Sie beschwerte sich auch ohne Garten oft genug, dass er zu selten mit ihr ausging. Die Leitung des wichtigsten Kommissariats brachte es nun einmal mit sich, dass er meist keinen geregelten Feierabend hatte. Er ahnte bereits, dass es bei diesem Fall nicht anders werden würde.
Ursula Strunke riss ihn aus seinen Gedanken. »Vorliebe. Das klingt so, als wenn es sein Hobby gewesen wäre. Damit hätte ich leben können. Aber für ihn war der Garten der einzige Lebensinhalt, und er zog mich ständig mit rein. Es ging schon damit los, dass ich eine Allergie gegen eine Reihe von Früchten habe. Beeren zum Beispiel, die kann ich nicht einmal anfassen, ohne Pusteln zu bekommen. Trotzdem brachte er das Zeug ständig mit nach Hause und wollte, dass ich Gelee daraus koche. Oder Saft.«
»Haben Sie
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