Stiller und der Gartenzwerg - Main-Krimi
gefunden hat. Hätte ich mir diese Gelegenheit entgehen lassen sollen?«
Kerstin schwieg und nahm den Koffer auf. Stiller streckte die Hand aus, um ihr zu helfen, aber sie schüttelte den Kopf. Er hatte den Eindruck, dass sie errötete.
Er schob sein Rad zur Laube und lehnte es an. »War übrigens ganz informativ«, sagte er über die Schulter.
Sie blieb stumm.
Die Tür der Laube war mit einem Riegel mit Vorhängeschloss gesichert. Stiller wählte den passenden Schlüssel aus und zog die Tür auf.
Kerstin folgte ihm nach drinnen – und blieb erstaunt stehen. Während sie sich umblickte, stellte sie vorsichtig den Koffer ab. »Wie sieht es denn hier aus? Ich dachte, ich komm in ein Gartenhaus, aber das scheint mir mehr die Bundeszentrale für politische Bildung zu sein.«
Die Flipcharts und die unvermeidliche Pinnwand füllten den Raum. Auf dem Tisch breitete sich Kreativmaterial aus: Stapel bunter Kärtchen und farbiger Pappwolken; Schachteln mit unterschiedlichen Stiften, Nadeln und Reißzwecken verschiedener Größen. Daneben Scheren, Klebeband und Lineale.
»Ach das …« Stiller seufzte. »Bausback hat mir die CITT mitgegeben.«
»Die CITT ?« Kerstins raue Stimme wurde noch einen Ton kratziger. »Willst du am Ende hier mit ihr wohnen?«
»Wir wohnen zu Hause«, entgegnete Stiller. »Ich bin nur tagsüber da, jedenfalls habe ich das vor. Und Frauke soll meine Kreativität anregen.«
»Frauke …«, wiederholte sie. »Verstehe.« Sie warf Stiller einen schwarzen Blick zu. »Ist ja auch eine anregende Person. Und noch dazu eine attraktive.«
»Findest du? Mir scheint sie ein bisschen dünn.«
»Ach, das ist dir also schon aufgefallen.« Wieder sah sie sich um. »Wo willst du den Laptop stehen haben? Gibt es noch einen Nebenraum, ein Schlafzimmer vielleicht?«
»Kerstin, das ist ein Gartenhaus. Wir arbeiten hier. Aber falls wir uns hinlegen wollen – Frauke hat eine sehr bequeme Hängematte mitgebracht.«
»Kannst du dich mal auf den Laptop konzentrieren? Von dem rede ich nämlich.«
Stiller deutete auf den Tisch. »Ich räume einen Platz frei.«
»Na dann viel Spaß.«
Während er begann, Fraukes Kreativmaterial auf die Längsseite der Eckbank umzuschichten, wuchtete Kerstin den Alukoffer auf einen Stuhl und ließ die Schlösser aufschnappen.
»Keine Ahnung, was du hier nicht auch alleine hingekriegt hättest«, maulte sie. »Wie man ein Notebook aufklappt, weißt du doch wohl.« Sie zog ein Apple-Laptop aus dem Koffer und schob es auf den Tisch.
»Ich dachte, ich tu dir einen Gefallen. Während du mir hier hilfst, ersparst du dir das kreative Work-out mit der CITT .«
»Das willst du dir doch wohl vor allem selbst ersparen, oder? Ich bin hier in zehn Minuten fertig, und das Work-out beginnt erst in einer Dreiviertelstunde.«
»Was ist denn überhaupt dran?«, erkundigte sich Stiller.
»Alpha-Tiefschlaf. Fast alle Politikredakteure haben sich angemeldet.«
»Ausgerechnet! Ich dachte, diese Kreativtechnik beherrschen sie schon.«
»Du brauchst wirklich psychologischen Beistand.« Kerstin stöpselte das Netzteil ein und sah sich suchend um. »Gibt es in diesen Lauben überhaupt Strom?«
Stiller erstarrte. Daran hatte er gar nicht gedacht. Gemeinsam forschten sie nach Steckdosen. Es gab nur eine, die nicht belegt war, unter dem Lichtschalter neben der Laubentür – am entgegengesetzten Ende des Tischs. Das Netzkabel war deutlich zu kurz.
»Ich räume um«, schlug Stiller vor.
Kerstin hielt ihn zurück. »War vielleicht doch kein Fehler, dass du mich hierherbestellt hast.« Sie hob den Kofferdeckel an und kramte ein Verlängerungskabel mit Dreifachsteckdose heraus. »Simsalabim.«
Sie schloss das Notebook an, klappte es auf und schaltete es ein. »Voilà«, sagte sie, als der Lautsprecher artig ein paar Töne ausspuckte und das Display heller wurde. Wieder kramte sie im Koffer und hielt kurz darauf eine Maus am Kabelschwanz in die Höhe. »Brauchst du die?«
Stiller schätzte den wenigen Platz ab, den er sich auf dem Tisch freigeschaufelt hatte, und verneinte.
Kerstin ließ die Maus in den Koffer zurückplumpsen und einen USB -Stick erscheinen. »Einstöpseln!«, befahl sie.
Stiller folgte gehorsam.
»Die PIN steht hier.« Sie pappte einen gelben Klebezettel neben die Tastatur und sah zu, wie Stiller die Kombination eintippte. Auf dem Display öffnete sich ein Fenster. »Auf ›Verbinden‹ klicken«, ordnete Kerstin an. »Na bitte«, fuhr sie fort, als sich das Fenster schloss.
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