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Stiller und der Gartenzwerg - Main-Krimi

Stiller und der Gartenzwerg - Main-Krimi

Titel: Stiller und der Gartenzwerg - Main-Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Freudenberger
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Mooser hatte es »die Sünderkartei« genannt.
    Kohl hatte auf den ersten Blick schlechte Karten. Als temporäres Partyzelt ging das eiserne Ding nicht durch, er hatte es sorgfältig in das Fundament einbetoniert. Für einen festen Bau hätte er aber in jedem Fall die Genehmigung des Kleingartenvorstands einholen müssen. Das hatte er versäumt – und es war klar, dass Strunke eine solche Missachtung seiner Autorität und der Vorschriften niemals dulden würde.
    Es kam noch schlimmer. Der Pavillon hatte eine Grundfläche von zwölfeinviertel Quadratmetern. Die Höhe erreichte an der geschwungenen Spitze zwei Meter sechzig, zu allem Überfluss saß noch ein geschmiedeter Pinienzapfen obendrauf. Den sägte Kohl im Laufe der folgenden Auseinandersetzungen zwar ab, doch das half ihm nichts. Der Pavillon überschritt alle zulässigen Maße, er ließ sich also auch nachträglich nicht sanktionieren.
    Strunke verlangte die Beseitigung des Pavillons innerhalb eines Monats, wie es die städtische Verordnung vorschreibt. Er drohte, »den Schwarzbau« andernfalls auf Kohls Kosten entfernen zu lassen.
    Kohl, der ziemlich viel Geld in das Verschönerungsprojekt gesteckt hatte, wehrte sich mit allen Mitteln. Er schaltete den Stadtvorstand der Kleingärtner ein und, als das nichts half, einen Anwalt. Er berief sich auf einen uralten Bebauungsplan, den es für das Kleingartengelände einmal gegeben haben sollte und der sogar Hausbauten erlaubt hätte. Er schrieb Briefe an die Presse und Petitionen an den Bundesverband Deutscher Gartenfreunde. In der Mitgliederversammlung des Radieschenparadieses forderte er zur Abwahl Strunkes auf, in der Vollversammlung des Stadtverbands verteilte er Unterschriftenlisten.
    Damit machte er sich immer unbeliebter, nicht nur bei Strunke, sondern auch bei den anderen. Zu den Verstößen gegen die Kleingartenverordnung und das Baugesetzbuch kamen jetzt noch Querulantentum, Aufruhr und, das Schlimmste, Nestbeschmutzung. Kohl entwickelte sich zum gemeinen Gartenschädling, das passende Opfer für einen Anlagenvorsitzenden, der den Spitznamen E 605 trug.
    Und Kohl setzte dem Ganzen noch eine Krone auf: Als Strunke mit dem Abbruchunternehmen anrückte, kettete er sich an seinen Pavillon. Nackt. Kein schöner Anblick, wie Mooser unterstrich. Nicht zuletzt deshalb leitete der Anlagenvorstand ein Ausschlussverfahren gegen ihn ein wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses. Es zog sich bis heute hin, weil Kohl wiederum jedes Rechtsmittel ausschöpfte und sich unter anderem auf das verfassungsmäßig verbriefte Demonstrationsrecht berief. Er habe mit seiner Entblößung nur zeigen wollen, dass ihn der Streit völlig ruiniert habe. Niemand könne einem nackten Mann in die Tasche greifen.
    Kurz: Wann immer Strunke und Kohl einander begegneten, gingen sie aufeinander los. Allerdings beließen sie es bei Geschrei und Beschimpfungen. Von Handgreiflichkeiten wollte Mooser nie etwas gesehen haben.
    Frauke strahlte. »Er war’s, wenn du mich fragst.« Am Vorabend hatten sie und Stiller beschlossen, sich zu duzen. In der Öffentlichkeit konnten sie als angebliches Ehepaar gar nicht anders. »Ich kenne solche Fälle von der Uni. Und aus meiner Praxis natürlich«, fügte sie schnell hinzu. »Am Anfang hätte sich die Sache mit dem Pavillon noch vernünftig regeln lassen. Aber hier sind zwei Personen mit latent pathologischen Zügen aneinandergeraten. Sie haben sich so lange in den Streit hineingesteigert, bis keiner mehr zurückrudern konnte. Nachgeben hätte für jeden der beiden Niederlage bedeutet. Unterlegenheit. Da kann sich eine wahnsinnige Wut aufstauen. Hass. Du musst dir das wie bei einem Vulkan vorstellen: Wenn der Druck zu groß wird, bricht er aus. Oder wie bei einem Damm. Wenn …«
    »Ich hab’s verstanden«, murmelte Stiller. »Ich nehm den Kohl mal unter die Lupe.«
    »Aber ich will dabei sein!«, rief Frauke.
    Stiller ging nicht darauf ein. Stattdessen packte er ein blaues Kartonrechteck, schrieb »Sünderkartei« darauf, erhob sich und heftete es an die Pinnwand. »Was hältst du von dem anderen, dem Mangold?«
    »Der Familienvater, der immer Ärger wegen der Kinder hatte?« Frauke betrachtete die Flipchart und runzelte die Stirn. »Der könnte es natürlich auch gewesen sein.« Sie unterstrich den Namen einmal. »Schutzinstinkt. Weißt du Näheres über ihn?«
    »Nein. Als ich Mooser nach ihm fragen wollte, war er mit dem Brunnen fertig, und du bist aufgetaucht.«
    »Och, das tut mir leid. Wir nehmen

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