Stiller und der Gartenzwerg - Main-Krimi
Auch dieser Wagen hatte getönte Scheiben. Das war nichts Ungewöhnliches. Ungewöhnlicher an diesem etwas abgelegenen Ort Aschaffenburgs erschien Stiller das Frankfurter Kennzeichen.
Er kehrte zu seinem Fahrrad zurück, tat so, als prüfe er den Reifendruck, und löste die Luftpumpe aus der Klemme am Rahmen. Als sich die Wagentüren öffneten, begann er zu pumpen.
Aus dem Vito stiegen zwei Männer, die ihn sofort an ein Komikerduo erinnerten. Wie hieß das noch? Pat und Patachon. Der Fahrer war eher klein, was vor allem an seinen kurzen Beinen lag, der Beifahrer dagegen ein ziemlich langer Lulatsch. Ihre übrige Erscheinung glich sich auf merkwürdige Weise: schwarze Haare, nach hinten gegelt. Schwarze Sonnenbrillen, der Form nach klassische Ray Ban, vermutlich echt. Dunkler Teint, Stiller tippte auf Italiener. Anthrazitfarbene Anzüge, weiße Hemden, am Kragen aufgeknöpft. Goldkettchen. Kaum standen sie auf der Straße, stülpten sie sich graue Hüte auf den Kopf.
Das musste ein Scherz sein! Die beiden sahen aus wie nachgemachte Mafiosi, wie brave Bankangestellte, die an Fasching die Bösen spielen. Fehlte nur noch, dass sie hier jemanden abpassten, um ihm einen Sack über den Kopf zu ziehen, ihn in den Bus zu stoßen und mit quietschenden Reifen davonzujagen. Wie sich Menschen mit schlichter Phantasie eine Entführung eben so vorstellen.
Die beiden taten Stiller den Gefallen nicht. Sie näherten sich vielmehr dem Range Rover, sahen aber nur kurz hinein – wie Liebhaber, die sich für das Innenleben teurer Autos interessieren. Dann bogen sie in den Fußweg ein. An dessen Ende lagen nur der alte Bahnhof, das Radieschenparadies und der Park Schönbusch. Der aber bot Besuchern aus Frankfurt einen wunderbar erschlossenen Parkplatz am Haupteingang Darmstädter Straße. Stiller sah auf die Uhr: noch fast eine Dreiviertelstunde bis zur Verabredung mit Kleinschnitz. Er entschloss sich, den komischen Vögeln zu folgen.
Er klemmte die Pumpe wieder an und schob das Fahrrad in den Fußweg. Bis sie die Bahngleise erreichten, hatte er die beiden fast eingeholt. Er würde den Teufel tun und weiter hinter ihnen herschieben! Er stieg auf, klingelte kurz und radelte an ihnen vorbei in die Kleingartenanlage. Er war hier schließlich zu Hause. Am Schaukasten hinter dem Seiteneingang schloss er das Fahrrad an – und ließ sich viel Zeit dabei.
Die beiden schlugen ebenfalls den Weg ins Radieschenparadies ein. Stiller fummelte an seinem Rad herum, bis sie an ihm vorbei waren. Sie waren offensichtlich nicht zum ersten Mal hier: Zielstrebig steuerten sie auf das Vereinsheim zu, rüttelten an der Tür, streckten die Hände durch die Fenstergitter und klopften gegen die Scheiben. Der Lange wies mit dem Kinn auf Stiller. Der andere zuckte die Achseln.
Nachdem sich im Vereinsheim nichts rührte, schien das rot-weiße Absperrband an Strunkes Parzelle ihre Aufmerksamkeit zu fesseln. Sie traten heran und spähten über die Forsythiensträucher am Zaun. Im Hauptweg knirschte Kies, ein Gärtner näherte sich und wechselte ein paar Worte mit den beiden Männern. Sie schienen kein Problem damit zu haben, in der Anlage gesehen zu werden. Als sich der Gärtner abwandte, drehten sie ebenfalls um und gingen zum Seiteneingang zurück.
Stiller ging ihnen entgegen. »Kann ich Ihnen helfen?«, fragte er.
»Danke«, erwiderte der Lange.
»Danke ja oder Danke nein?«
»Danke«, sagte der Kurze. »Wir finden schon allein raus.«
Zwei Spaßvögel! Stiller sah ihnen nach, bis sie den Ausgang erreicht hatten und abbogen. Dann klappte er sein Handy auf und wählte Mike Staabs Nummer. Er war mit dem Polizeibeamten per Du, jahrelang hatten sie sich mittags in der Schachecke des Café Fischer getroffen und sich spannende Partien geliefert.
»Grüß dich, Mike«, sagte er, nachdem Staab abgehoben hatte. »Kannst du für mich mal eine Halterabfrage starten? Die Autonummer ist AB-JS 68.«
»Eine Halterabfrage? Für dich?« Staab lachte laut. »Dir scheint die Gartenluft nicht zu bekommen. Oder hast du getrocknete Salatblätter geraucht?« Er stutzte. »Wie war das Kennzeichen?«
Stiller wiederholte die Autonummer.
Staab zögerte. »Wo steht der Wagen?« Es hörte sich beiläufig an. Zu beiläufig.
Stiller sagte es ihm. Ebenfalls beiläufig. »Keine drei Minuten von eurer Dienststelle entfernt.«
»Wir sind sofort da.« Diesmal klang Staab beunruhigt. »Rühr bloß nichts an, verstanden?«
»Okay«, sagte Stiller und klappte das Handy zu. Zum ersten
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