Stiller und der Gartenzwerg - Main-Krimi
sie über den Flur davon, als sei ein Teufel hinter ihr her. Aber kein kleiner.
Kleinschnitz hatte die Tür angestarrt und um Fassung gerungen. »Dann ruf du eben deine Ruth.«
Stiller hatte ein sichtbar schlechtes Gewissen gehabt und brav gefolgt. Dabei riss er seine Frau offenbar völlig unnötig aus dem Schlaf: In dem Moment, als sie abnahm, fiel ihm ein, dass er selbst mit dem Kangoo unterwegs gewesen war und sie gar kein Auto hatte. So wie es aussah, durfte sich der Gute auf ein häusliches Nachspiel gefasst machen. Seine Frau hatte so laut gesprochen, dass alle im Büro mithören konnten. Die Kernbotschaft lautete, Stiller solle doch seine »neue Frau« anrufen und dahin verschwinden, wo der Pfeffer oder zumindest die Radieschen wachsen.
Schließlich hatte Mike Staab vorgeschlagen, die beiden Elendshäuflein zum Parkplatz zu fahren. Das war zwar nicht üblich, aber Strobel hatte gerne eingewilligt. Staab war mit Stiller locker befreundet, vielleicht würde er auf der Fahrt noch etwas aus den beiden herausholen.
Denn den Beteuerungen Stillers, er sei in der Hängematte eingeschlafen, schenkte Strobel keinen Glauben. Er war davon überzeugt, dass der Hobbyschnüffler bewusst in seinem Garten geblieben war. Möglicherweise hatte er den Einbruch sogar erwartet. Ein unerträglicher Gedanke, dass ihm dieser Schreiberling einen Schritt voraus sein könnte.
»Hat eigentlich die Überprüfung der Gärtner etwas ergeben?«, hielt Strobel Bühler auf, der sich von der Fensterbank löste, um sich, wie angekündigt, noch mal aufs Ohr zu hauen.
»Bisher nichts«, erwiderte Bühler. »Wir haben aber erst einen Bruchteil durch. Es sind insgesamt hundertsiebenunddreißig, Strunke und Stiller schon abgezogen.«
»Wir haben doch dieses Notizheft, das Strunke immer bei sich hatte«, sagte Strobel nachdenklich. »Du weißt schon, seine Aufzeichnungen über die Regelverstöße der Kleingärtner. Wir sollten uns vielleicht erst einmal die Namen vornehmen, die darin auftauchen.«
»Sag ich ja«, gab Bühler trocken zurück. »Hundertsiebenunddreißig.«
11
Stiller ließ den Kangoo auf den Legatplatz rollen. Es kam ihm vor, als sei er eine Ewigkeit weg gewesen. Er stützte sich eine Weile am Lenkrad ab und betrachtete die niedrigen Häuser, die sich in der Morgendämmerung leblos und dunkel um den kleinen Platz duckten, ohne sie richtig wahrzunehmen. Sein ganzer Körper schmerzte. Die Schürfwunden juckten, der Ellbogen war geschwollen, der Magen drückte, die Fußsohlen brannten.
Schließlich gab er sich einen Ruck und stieg aus. Mit der einen Hand raffte er die alte Kolter zusammen, die er im Geräteschuppen gefunden und als Schutz über den Fahrersitz gelegt hatte. Mit der anderen griff er nach dem Blumenstrauß auf der Beifahrerseite. Pfingstrosen aus dem Garten. Er hatte sie schnell noch gepflückt in der Hoffnung, Ruth damit versöhnlich zu stimmen.
An der Haustür warf er die Kolter in die Mülltonne. Die mottenzerfressene Decke hatte dazu gedient, einen uralten Rasenmäher abzudecken, und schon ätzend gerochen, bevor er sich daraufgesetzt hatte. Jetzt war sie vollends hinüber. Wenn sie der Gartenpächter vermissen sollte, würde er ihm eine neue kaufen. Er wühlte den Schlüssel aus der Tasche, schloss die Haustür auf und lauschte. Alles schlief. Es war sechs Uhr. In einer halben Stunde würden Ruth und Charlotte aufstehen.
Vorsichtig bemüht, nirgends anzustoßen, um keine Schmutzspuren zu hinterlassen, schlich er in die Küche. Er suchte Ruths selbst getöpferte Lieblingsvase, ließ sie voll Wasser laufen und stellte die Pfingstrosen auf den Esstisch. Im Keller zog er die verklebten Kleider aus und stopfte sie in die Waschmaschine.
Wenig später stand er unter der Dusche, legte den Kopf zurück und reckte das Gesicht mit geschlossenen Augen der Brause entgegen. Er genoss das heiße Wasser auf Haaren und Haut, spürte, wie es an ihm hinablief und wartete, bis das Bad in dichten Dampf gehüllt war. Dann seifte er sich gründlich ein und drehte den Strahl voll auf, um sich abzuduschen.
Er begann zu summen. Am liebsten hätte er die Prozedur noch einmal wiederholt, doch Charlotte wummerte an die Tür.
»Bist du das, Papa?«, rief sie. »Mach mal hin, du bringst alles durcheinander.«
»Eine Minute.« Er stieg aus der Dusche, rubbelte sich ab und schlang sich das Handtuch um die Hüften.
Charlotte grinste, als er die Tür aufzog. »Na, hast du deinen Waschbrettbauch gegen eine Waschtrommel eingetauscht?« Nach
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