Stiller Zorn: Roman (German Edition)
davon. Wie der Puter durch das Korn – wenn ich mich recht entsinne. Lew Griffin. Wo ist Blanche?«
Er schaute mich mit seinen riesigen Augen an.
» Raus damit «, sagte ich.
»Was denn, stehst du etwa auf Weiße, Mann?«, sagte er.
»Bloß auf Blanche. Kenne sie von früher.«
Er schaute auf irgendwas, das allem Anschein nach weit weg war, nur ihn was anging.
»Die hat sich seitdem ziemlich verändert«, sagte er schließlich. Er nahm eine der Tassen und schaute rein, als ob er genau wüsste, dass noch Kaffee drin war, als wäre alles andere nur Einbildung – ein interessanter Anblick, überzeugend, aber (nichtsdestotrotz) bald vorbei. »Ich kann dir ’n nettes Niggermädel liefern. Hab ’n paar Hübsche im Stall, alles, was de willst, die warten bloß drauf. Junge Dinger. Scharfe Miezen. Stramme Bräute.«
Ich schüttelte den Kopf.
»Entweder Blanche oder gar nichts.«
»Dann eben gar nix«, sagte er einen Moment später. Er lachte und hob die Stimme, als ob er etwas bestellen wollte. »Das Nix gilt aber auch für alle meine Freunde«, sagte er. »Gibt’s ’ne ganze Menge von. Egal, wo du gucken gehst – nix tut sich.«
»Na schön. Du kennst mich wahrscheinlich dem Namen nach, Johnny, irgendwo da hinten drin, wo du dich gerade aufhältst. Du mit deinem hübschen Gesicht, so hübsch wie jede von deinen Mädels – weißt du noch? Stell dir mal vor, wenn sich das einer vornimmt, Johnny. Wie du morgen früh aussehen könntest, n’est-ce-pas ?«
Er schaute über den Tisch und musterte mich mit der gleichen Miene wie die leere Kaffeetasse.
»Ja, den Namen kenn ich. Griffin. Ich hab von Ihnen gehört. Aber sie arbeitet nicht mehr für mich, Tatsache.«
»Ist mir scheißegal, für wen sie arbeitet. Genauso scheißegal wie dein hübsches Gesicht.«
»Yeah.« Er ließ den Kopf hängen. Wirkte mit einem Mal müde. »Ja, ich hab’s kapiert. Tatsache is, dass ich nicht weiß, wo sie is. Ich weiß es einfach nicht.« Irgendwas flackerte in seinen stumpfen Augen. »Vielleicht isse noch im Krankenhaus.«
»Was für ein Krankenhaus? Was ist passiert?«
Er schaute zum Fluss. Oben auf dem Uferdamm spielten ein alter Mann und ein Junge hundserbärmlich schlecht auf der Trompete und legten einen ganz annehmbaren Stepptanz dazu hin. Ich nahm eine der Tassen und schmetterte sie auf den Tisch. Anschließend rubbelte ich die Scherben in die Platte, dass mir das Blut aus der Hand quoll und sich an der Metallkante des Tisches sammelte, unmittelbar neben seinem Arm. Er brachte seinen Ärmel in Sicherheit.
»Danach geht’s zum Liften«, sagte ich. »Dauert nicht mehr lang.«
»Okay, Mann, okay. Ich hab’s kapiert.«
Er zog eine Handvoll Servietten aus dem Spender und warf sie auf das Blut, zog noch ein paar und reichte sie mir. Schaute immer noch in Richtung Fluss.
»Wir sind Samstagabend beisammen gewesen, und die is einfach auf mich losgegangen. Wie ’ne Irre – wenn Sie wissen, was ich sagen will? Ich kann keine irren Weiber für mich arbeiten lassen. Also hab ich sie bei der Notaufnahme abgeliefert und dort gelassen. Was hätt ich denn sonst machen solln? Außerdem bin ich davon ausgegangen, dass die wissen, was sie mit ihr machen müssen.«
»Welches Krankenhaus?«, sagte ich. »Welches Krankenhaus war das?«
Er dachte nach. »Mal sehn. Das Baptist. Ja, genau. Das Baptist. Weil ich nämlich bei dem K & B, der kurz dahinter kommt, haltgemacht und mir ’ne Flasche besorgt hab, als ich weg bin.«
»Und das war Samstagabend?«
»Samstagabend. Die is einfach wie ’ne Irre auf mich losgegangen, Mann.« Er schaute wieder zu mir. Nahm eine der Kaffeetassen und setzte sie an, als ob er trinke. Tupfte sich mit dem Handrücken den Mund ab. »Was für ein Mädel wolln Sie denn nun haben?«
Ich hätte ihn am liebsten umgebracht. Irgendwen umgebracht. Stattdessen stand ich auf und ging weg. Ein paar Meter weiter stieß ich auf ein Münztelefon, warf einen Nickel ein, rief im Baptist Memorial an und verlangte die Aufnahme.
»Ich versuche meine Schwester ausfindig zu machen«, sagte ich, als ich durchkam. »Sie ist von zu Hause weggelaufen – Mama sorgt sich zu Tode, und wir wissen lediglich, dass sie sich jetzt Blanche nennt. Ich habe irgendwas läuten hören, dass ihr Samstagabend womöglich irgendwas zugestoßen ist und man sie zu Ihnen gebracht hat.«
»Einen Moment, Sir, ich schau nach.« Sie war zwei, drei Minuten weg. »Sir, laut unseren Unterlagen wurde am Samstagabend eine Blanche Davis eingeliefert.
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