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Stiller Zorn: Roman (German Edition)

Stiller Zorn: Roman (German Edition)

Titel: Stiller Zorn: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Sallis
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mir Bescheid, was dabei rauskommt. Was wird aus dem Mädchen? Falls Sie sie finden.«
    »Mann, um das Mädchen geht’s doch gar nicht. Die fallen hier massenhaft ein, wie die Fliegen. Wir wollen Sanders drankriegen. Ein für alle Mal. Die Kleine ist für Sie, falls wir sie jemals finden. Werden wir aber nicht.«
    Ich ging zur Tür.
    »Und Sie haben ein ganzes Zimmer voll mit diesem Zeug«, sagte ich.
    »Das sind bloß die unerledigten Fälle. Sie sollten mal die Asservatenkammer in der Zentrale sehen«, sagte Polanski.
    Erst in diesem Augenblick, als ich rausging, bemerkte ich, dass ich einen Ständer hatte. Und mir fielen wieder ein paar Sachen ein, die mir meine Frau an den Kopf geworfen hatte.

4
    Der Wecker klingelte immer noch, als ich wieder in die Wohnung kam. Ich goss mir eine Tasse Kaffee ein – die Maschine lief auf Zeitschalter – und stopfte mir eine Pfeife. Dann griff ich zum Telefon.
    Ich erreichte Dr. Ropollo in seinem Büro im Fachbereich Englisch, und nachdem ich ihm erzählt hatte, was ich in den letzten zehn Jahren gemacht hatte (schließlich war’s nicht allzu viel), fragte ich ihn nach Sanders.
    »Da müssen Sie mit Bill Collins sprechen. Er lehrt an der Tulane Film. Aber um diese Tageszeit ist er wahrscheinlich zu Hause oder im Studio.« Er gab mir zwei Telefonnummern, die ich in mein Notizbuch eintrug. Ich dankte ihm und legte auf.
    Ich goss mir eine weitere Tasse Kaffee ein und probierte die erste Nummer. Nichts. Ich wählte die zweite, die Studionummer. Es klingelte fünfmal.
    »Collins.« Eine hohe, leicht feminine Stimme, aber gleichzeitig auch geschäftsmäßig.
    Ich erklärte ihm, wer ich war, und fragte nach Sanders.
    »Meinen Sie etwa Bud Sanders? Dieses Arschloch. So was von begabt und nichts als Quark mit Soße«, sagte er. »Versaut sich alles. Könnte ein verteufelt guter Filmemacher sein, wenn er wollte. Furchtbar , wie der sein Talent vergeudet.« Es klang, als ob er für Vergeudung jedweder Art nicht allzu viel übrighatte.
    »Wissen Sie, wo ich ihn finden könnte?«
    »Nun ja, er gibt unten in der freien Schule Filmkurse. Dort könnten Sie ihn vielleicht erreichen.«
    »Besten Dank, Mister Collins«, sagte ich. »Ich will Sie nicht länger von Ihrem großen Werk abhalten.«
    »Von wegen großes Werk. Ich drehe gerade eine weitere beschissene Fernsehwerbung für ›weibliche Hygieneartikel‹, so sieht’s aus.«
    »Ich werde drauf achten.«
    »Wie alle Welt.« Damit unterbrach er die Verbindung.
    Die freie Schule stand nicht im Telefonbuch, und bei der Fernsprechauskunft hatte man noch nie was davon gehört. Zu guter Letzt rief ich eine leicht beknackte Freundin von mir an, eine Stewardess, die in ihrer Freizeit hoffnungslose Fälle aufsammelte, und erfuhr die Adresse.
    Es war ein baufälliges Haus an der Elysian Fields Avenue, nahe dem I-10. Dem Aussehen nach war es irgendwann ein Hotel gewesen. Jetzt tummelten sich dort lauter langhaarige, verschwitzte Kids, und es war voller Grafitti. Schmeißt keine Zahnstocher ins Klo, sonst machen die Krabben Stabhochsprung, stand an einer Wand. Gott achtet auf dich, stand drüber. Ich fragte mich, ob er (oder sie) auch auf Cordelia Clayson achtete.
    Schließlich entdeckte ich oben im ersten Stock die Verwaltung und ging rein. Ein Mädchen, das nicht älter als vierzehn sein konnte, stand von einem Schreibtisch auf und kam auf mich zu.
    »Ja, Sir?«, sagte sie.
    »Ich suche Bud Sanders, hab ’n Auftrag für ihn, kann ihn aber nirgendwo erreichen. Vielleicht können Sie mir weiterhelfen.«
    »Einen Auftrag, sagen Sie?«
    »Ganz recht.«
    »Tja.« Sie überlegte. »Sie könnten bei mir eine Nachricht hinterlassen, und ich seh zu, dass er sie kriegt.«
    »Sehr aufmerksam, aber mir pressiert’s leider ein bisschen. Ich muss ihn heute noch erreichen. Das heißt, wenn ich ihn nehmen will.«
    »Tja.« Sie schaute sich im Zimmer um, als ob er sich irgendwo versteckt haben könnte. »Wow, ich weiß nicht.« Sie griff nach hinten und packte ihre Zöpfe, zerrte dran. »Da ist Geld für ihn drin, was?«
    »Ja. Ein ganzer Batzen sogar.«
    »Okay. Tja, ich glaube, der will bestimmt nicht, dass ich Sie einfach so gehen lasse.« Als das entschieden war, ließ sie ihre Zöpfe los. »Er ist am Drehort. Belright Hotel, an der Perdido, in der Nähe der Tulane und Jeff Davis.«
    »Danke, Miss.«
    »Mistres.«
    »Richtig.«
    »Zimmer vier-null-acht.«

5
    Das letzte Mal war ich in den Flitterwochen im Belright gewesen. Wir hatten uns Hühnersandwiches

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