Stiller Zorn: Roman (German Edition)
bin doch immer leichter aufzuspüren. Draußen in der Gasse hocken die Cops und warten bloß drauf, dass sie in meinem Müll rumwühlen können, die Anwälte meiner Frau hocken mir auf der Pelle wie die Flöhe. Und jetzt machen auch Sie mir noch Feuer unterm Arsch.«
»Sie ernten bloß das, was Sie gesät haben, Sanders.«
»Und was ist mit Ihnen, Mann? Sie sind doch auch nicht gerade der Papst, oder?«
»Morgen. Mittag.«
Ich legte auf.
Und was war mit mir? Seinerzeit, als ich Corene Davis gefunden hatte, dachte ich, meine Wut, mein Hass wären für immer weg. Ich war jetzt schon lange obenauf, hatte mir sogar eine kleine Ecke vom schönen Leben abgezwackt. Aber es war eine Lüge, eine Geschichte, die nicht hinhaute, ein Stück vom Leben des weißen Mannes, nicht meins; und jetzt kehrten die Wut und der Hass wieder zurück. Ich hatte dem Typ in dem Hotelzimmer in den Bauch getreten. Ich hätte ihn am liebsten umgebracht. Alle beide. Robert Johnsons Höllenhund hechelte mir um die Hacken.
Ich probierte einige Nummern von LaVerne, erreichte sie aber nicht, daher ging ich davon aus, dass sie bei einem Kunden war. Weil ich gerade in dem Moment keine Lust hatte, allein zu sein, ganz allein, aber auch nicht mit irgendwem zusammen sein wollte, fuhr ich rüber zum Joe’s.
Das Feierabendgelage war in vollem Gang. Ein Typ war bereits weggetreten und hing mit dem Gesicht voran an einem Ecktisch, aber jeder spendierte ihm weitere Runden und baute sie in Reih und Glied vor ihm auf. Es gab die üblichen Witze über Joes hartgekochte Eier. Hinten warfen zwei Jungs Darts auf eine Scheibe mit einem Playboy -Foto von Ursula Andres. Wer die Nippel traf, hatte automatisch gewonnen.
Nancy fragte mich, was es denn sein sollte, und ich sagte, es sollte Scotch sein. Wenn man sie sah, konnte man meinen, dass Joe gegen das Kinderarbeitsschutzgesetz verstieß. Sie wirkte wie fünfzehn, war aber vierundzwanzig und hatte schon drei gescheiterte Ehen hinter und eine weitere (ich kannte den Typ, und das lief nie und nimmer) vor sich.
Sie brachte einen Scotch für mich und einen Orangensaft für sich. Ich hatte noch nie erlebt, dass sie was Hartes trank.
»Wie isses dir ergangen, Lew? Lange nicht gesehn.«
» Ça va bien , wie unsere Freunde aus den Sümpfen sagen.«
»Yeah, ich hab auf der Highschool Französisch gewählt. Hab da so ’nen Lehrer gehabt, einen der bestaussehenden Typen, die ich je gesehn habe. Hat immer auf der Kante vom Pult gesessen, die Haare zurückgeworfen – für die damalige Zeit warn die ziemlich lang – und allerlei Gedichte und so vorgetragen. Und ich hab die ganze Zeit auf seine Hose geschaut, weil die richtig eng war und man seinen Schwanz am linken Bein liegen sehn konnte. Hat absolut riesig ausgesehn.« Sie nahm einen Schluck O-Saft. »Später hab ich rausgefunden, dass er schwul war.«
» C’est la vie .«
»Wie geht’s Verne?«
»Bestens, als ich sie zum letzten Mal gesehen habe.«
»Arbeitet sie?«
»Nehm ich doch an.«
Sie trank ihren O-Saft aus, spülte das Glas ab und stellte es kopfüber auf ein Handtuch.
»Ich hab um elf frei, Lew.«
Ich sagte nichts.
»Tja, nun, wie du gesagt hast: C’est la vie . Genauso isses. Sag mir Bescheid, wenn du noch einen willst. Der geht auf Kosten des Hauses.«
»Soweit ich mich entsinnen kann, hält Joe nichts von dem Begriff ›auf Kosten des Hauses‹.«
»Joe hält auch nichts davon, ab und zu mal vorbeizukommen und festzustellen, was hier überhaupt läuft.« Sie lachte. »Hat ’n frisches junges Schätzchen.«
»In seinem Alter?«
»In der Liebe gibt’s keine Altersgrenze, Lew.«
»Wir wär’s dann mit ›bei seiner Größe‹?«
»Es gibt immer einen Weg.«
»Stimmt. Willen und Wege. Was hat Marthy dazu zu sagen?«
Sie zuckte die Achseln. »Was hat Marthy denn zu all den andern gesagt? Wehe, sie is nicht sauber, niemals bei uns zu Hause, pass auf das Geld auf, klopf an meine Tür, wenn’s vorbei is.«
Nach ein paar weiteren Scotch gesellte ich mich zu den Dartspielern und traf viermal hintereinander die Nippel. Anschließend ließ ich mich von ihnen zu vier von Joes Eiern verleiten, und danach machten wir uns gemeinsam über die Drinks her, die vor dem weggetretenen Typ am Ecktisch aufgebaut waren. Eine ganze Zeitlang später fiel mir auf, dass Nancy ihre Tasche in der Hand hatte und an der Tür stand.
»Hey, kommst du mit?«, sagte sie. »Oder nicht?«
»Ich komme mit«, sagte ich. Auf dem Weg zum Auto, ihrem, war ich ein
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