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Stiller

Stiller

Titel: Stiller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max Frisch
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einen bescheidenen Eintritt in die Natur, die aus einem idyllischen See besteht, aus einer großen Wiese, wo sie Baseball spielen, aus einem Wald voll herrlicher Bäume, im übrigen ist es ein glitzernder Wagenpark mit Hängematten dazwischen, mit Eßtischlein, Lautsprecher und Feuerstellen, die fix und fertig und im Eintritt inbegriffen sind. In einem Wagen sehe ich eine junge Dame, die ein Magazin liest: How to enjoy life; übrigens nicht die einzige, die lieber im bequemen Wagen bleibt. Das Camp ist sehr groß; mit der Zeit finden wir einen etwas steileren Hang, wo es keine Wagen gibt, aber auch keine Leute; denn wo sein Wagen nicht hinkommt, hat der Mensch nichts verloren. Allenthalben erweist sich der kleine Eintritt als gerechtfertigt: Papierkörbe stehen im Wald, Brunnen mit Trinkwasser, Schaukeln für Kinder; die Nurse ist inbegriffen. Ein Haus mit Coca-Cola und mit Aborten, als romantisches Blockhaus erstellt, entspricht einem allgemeinen Bedürfnis. Eine Station für erste ärztliche Hilfe, falls jemand sich in den Finger schneidet, und Telefon, um jederzeit mit der Stadt verbunden zu bleiben, und eine vorbildliche Tankstelle, alles ist da, alles in einer echten und sonst unberührten Natur, in einer Weite unbetretenen Landes. Wir haben versucht, dieses Land zu betreten; es ist möglich, aber nicht leicht, da es einfach keine Pfade für Fußgänger gibt, und es braucht schon einiges Glück, einmal eine schmale Nebenstraße zu finden, wo man den Wagen schlechterdings an den Rand stellen kann. Ein Liebespaar, umschlungen im Anblick eines Wassers mit wilden Seerosen, sitzt nicht am Ufer, sondern im Wagen, wie es üblich ist; ihr Lautsprecher spielt so leise, daß wir ihn bald nicht mehr hören. Kaum stapft man einige Schritte, steht man in Urwaldstille, von Schmetterlingen umflattert, und es ist durchaus möglich, daß man der erste Mensch auf dieser Stelle ist; das Ufer rings um den See hat keinen einzigen Steg, keine Hütte, keine Spur von Menschenwerk, über Kilometer hin einen einzigen Fischer. Kaum hat er uns erblickt, kommt er, plaudert und setzt sich sofort neben uns, um weiterzufischen, um ja nicht allein zu sein. Gegen vier Uhr nachmittags fängt es wieder an, das gleicheRollen wie am Morgen, nur in der anderen Richtung und sehr viel langsamer: Neuyork sammelt seine Millionen, Stockungen sind nicht zu vermeiden. Es ist heiß, man wartet und schwitzt, wartet und versucht, sich um eine Wagenlänge vorzuzwängeln; dann geht es wieder, Schrittfahren, dann wieder offene Fahrt, dann wieder Stockung. Man sieht eine Schlange von vierhundert und fünfhundert Wagen, die in der Hitze glitzern, und Helikopter kreisen über der Gegend, lassen sich über den stockenden Kolonnen herunter, um durch Lautsprecher zu melden, welche Straßen weniger verstopft sind. So geht es drei oder vier oder fünf Stunden, bis wir wieder in Neuyork sind, versteht sich, einigermaßen erledigt, froh um die Dusche, auch wenn sie nicht viel nützt, und froh um ein frisches Hemd, froh um ein kühles Kino; noch um Mitternacht ist es, als ginge man in einer Backstube, und der Ozean hängt seine Feuchte über die flirrende Stadt. An Schlaf bei offenem Fenster ist nicht zu denken. Das Rollen der Wagen mit ihren leise winselnden Reifen hört überhaupt nicht auf, bis man ein Schlafpulver nimmt. Es rollt Tag und Nacht ...
    »Ich weiß«, sagt der Staatsanwalt nach meiner gewissenhaften Schilderung, »ich weiß, genau so hat es meine Frau auch erlebt.«
    »Nicht wahr?«
    »Sommer in Neuyork, sagt meine Frau, ist fürchterlich.«
    »Das sagen alle.«
    »Einfach fürchterlich.«
    »Und trotzdem ist es eine betörende Stadt«, sage ich zum Abschluß, »eine tolle Stadt!«
    Endlich bringt er seine Frage:
    »Wer hat Sie denn auf solchen Ausflügen begleitet? Sie waren, wenn ich richtig gehört habe, nicht allein.«
    »Nein.«
    »Darf ich fragen –«
    »Herr Staatsanwalt«, sage ich, »es war nicht Ihre Gattin.«
    Er lächelt, sieht mich an.
    »Ehrenwort«, sage ich.
    Es sind merkwürdige Verhöre.
     
     
    Wilfried antwortet:
    »Sehr geehrter Herr! Ihr gestriges Schreiben hat mich sehr bestürzt, wieSie sich denken können, denn Herr Dr. Bohnenblust, der seinerzeit hier war, um ein Fotoalbum meines Bruders zu seinen Akten zu nehmen, hat mit Bestimmtheit behauptet, Sie wären wirklich mein Bruder und Ihre Haftentlassung sei nur eine Frage von Tagen, vorausgesetzt, daß Sie bzw. mein Bruder nichts mit der seinerzeitigen Smyrnow-Affäre zu tun gehabt

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