Stilsicher im Beruf (TaschenGuide)
die peinliche Situation bezogen bleiben. Hier soll sie Entlastung bringen und die Lage wieder normalisieren. Keinesfalls dürfen Sie sich zur Witzfigur machen lassen. Daher ist Selbstironie nie im Übermaß zu gebrauchen. So soll die selbstironische Bemerkung von Herrn Wilberding ausschließlich Herrn Leonhard aus seiner Peinlichkeit erlösen und wieder in ein normales Gespräch hineinführen. Würde der hingegen anfangen, sich über den korpulenten Herrn Wilberding zu mokieren, wäre das nicht mehr lustig, sondern einfach unverschämt. Und Herr Wilberding müsste sich dagegen zur Wehr setzen.
Goldene Brücken bauen
Eine elegante und souveräne Methode, die gerade für die schweren Fälle geeignet ist, wenn Ihr Gegenüber von allein nicht mehr auf die Beine kommt: Sie bauen ihm sozusagen eine „goldene Brücke“, die er nur zu beschreiten braucht, um aus der Verlegenheit herauszukommen. Sie treffen beispielsweise eine Feststellung, die den anderen in einem äußerst günstigen Licht erscheinen lässt.
Beispiel
Eine große Abendveranstaltung. Herr Lüdecke unterhält sich mit einer höhergestellten Kollegin. Das Gespräch verläuft recht zäh,Herr Lüdecke verabschiedet sich: „Ich muss nach Hause, meine Eltern kommen nachher noch zu Besuch.“ Unter großem Bedauern lässt die Kollegin Herrn Lüdecke ziehen – und trifft ihn drei Stunden später an der Bar wieder. Herr Lüdecke ist völlig perplex. „Ach, haben Sie Ihre Eltern noch erreicht und sie gebeten, später zu kommen?“, fragt die Kollegin ruhig.
Hier macht der Ton die Musik. Klingen solche schmeichelhaften Unterstellungen ironisch, glaubt der andere, Sie wollten sich über ihn lustig machen. Auf der anderen Seite kann er keine großen Ansprüche stellen. Er muss ja dankbar sein, wenn Sie ihn davonkommen lassen. Meist ist es auch gar nicht so schlecht, wenn dem anderen klar ist, dass Sie so ganz ernsthaft an Ihre Erklärung gar nicht glauben.
Nicht jeder hat es allerdings verdient, dass Sie ihm eine goldene Brücke bauen. Auch geht manchen Menschen das Gespür dafür ab, eine solche Brücke diskret zu nutzen.
Die taktvolle Ahnungslosigkeit
Eng verwandt mit dem Bau der goldenen Brücke ist das taktvolle Ignorieren peinlicher Vorfälle. Sie geben dem anderen zu verstehen: Das, was Ihnen da unterlaufen ist, habe ich überhaupt nicht bemerkt. Das kann sich schon gestisch und mimisch ausdrücken. Werden Sie unfreiwillig Zeuge eines Gesprächs, das Sie nicht mithören sollen, wenden Sie sich demonstrativ ab und machen sich durch Hüsteln bemerkbar.
Die taktvolle Ahnungslosigkeit kann auch bei anderen Gelegenheiten nützlich sein: etwa wenn sich jemand als inkompetent erweist und Sie ihm Gelegenheit geben wollen, seinGesicht zu wahren. Wohlverstanden: Es geht nicht darum, Unfähigkeit zu vertuschen, sondern eine Blamage abzuwenden, von der niemand einen Vorteil hätte.
Beispiel
Herr Küpper ist Geschäftsführer einer kleinen Firma in Köln. Er hat seine Kunden zu einer Veranstaltung eingeladen und lässt es sich nicht nehmen, auf einer Stadtrundfahrt „sein Köln“ zu zeigen. Geschichtlich ist Herr Küpper nicht gerade sattelfest und wirft die Epochen und Baustile wild durcheinander. Keiner seiner Gäste wird ihn auf irgendeine Unstimmigkeit hinweisen, auch wenn sich promovierte Historiker unter ihnen befinden.
Entlastung bei einer Entschuldigung
Die taktvolle Ahnungslosigkeit kann auch am Platz sein, wenn sich jemand für irgendein peinliches Vorkommnis entschuldigt. Dass er sich entschuldigt, ist als Geste wichtig. Aber gerade deshalb können Sie ihm entgegenkommen, indem Sie bemerken: „Mir ist das gar nicht aufgefallen.“
Umgang mit einem ertappten Lügner
Niemand mag es, belogen zu werden. Daher reagieren wir häufig empfindlich, wenn sich abzeichnet, dass uns jemand etwas vormacht. Wir möchten den Schwindler, Aufschneider und Lügner nur allzu gerne auffliegen lassen. Dagegen ist auch gar nichts zu sagen. Nur gilt es die Verhältnismäßigkeit zu wahren. Es macht einen ganz schlechten Eindruck, wenn Sie jemanden in die Enge treiben, der nur ein wenig geflunkert hat, noch dazu in einer Angelegenheit, die niemandem wirklich schadet.
Lassen Sie durchblicken, dass Sie Bescheid wissen
Es kommt sehr auf die jeweilige Situation an und auf den Menschen, mit dem Sie es zu tun haben. Demonstrative Ahnungslosigkeit ist nicht gerade das, was Sie Ihrem Gegenüber zeigen sollten. Es wirkt wesentlich souveräner, wenn Sie andeuten, dass Sie sehr
Weitere Kostenlose Bücher