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Stimme aus der Unterwelt

Stimme aus der Unterwelt

Titel: Stimme aus der Unterwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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nur einen Friedhof. Der war seit
Jahrhunderten in Betrieb und hatte sich mehr und mehr ausgedehnt. Sicherlich — Bad
Fäßliftl hatte nur knapp 3000 Einwohner. Aber gestorben wird immer. Und während
der langen Zeit kam was zusammen.
    Er ging schnell. Die Gier nach der
Millionen-Beute nahm Besitz von ihm. Sollte Oswald doch denken, was er wollte!
Wenn der Schmuck weg war, war er eben weg. Irgendwer konnte ihn gefunden haben,
zufällig — kürzlich, voriges Jahr, vor drei Jahren, wann immer. Vielleicht
hatte ein Hund auf Baldurs Grab gebuddelt, und der Hundehalter entdeckte den
Schatz. Oder der Totengräber war neugierig geworden. Egal! Oswald war
angeschmiert. Und an die Polizei konnte er sich nicht wenden, sonst behielt die
ihn gleich da für die nächsten fünf Jahre.
    Grobalsky begegnete niemandem. Er
kannte sich aus. Sein Orientierungssinn funktionierte. Ohne sich zu verlaufen,
erreichte der Ganove den Friedhof.
    Eindrucksvoll diese Stille. Aber jetzt
schrie ein Käuzchen — drüben bei der Gnadenkapelle, und Grobalsky ließ die
große Stablampe aufblitzen.
    Das Licht reichte weit. Er äugte durch
das Gittertor. Der Strahl strich an der ersten Reihe der Gräber entlang. Kreuze
warfen Schatten. Eine Katze hockte wie erstarrt auf einem Stein, blinzelte und
war dann — husch! — hinter Ziersträuchern verschwunden.
    Grobalsky kletterte über das Tor,
nachdem er festgestellt hatte, daß er das Schloß mit bloßen Händen nicht
knacken konnte. Für einen Moment fühlte er sich mutlos. Die vielen Gräber!
Schaffte er das in einer Nacht? Und wenn Baldur Flappe nun keinen Grabstein
hatte, sondern nur ein Holzkreuz ohne Namen?
    Dann kann ich lange suchen, dachte
Grobalsky. Dann müßte ich mich beim Gemeindeamt erkundigen, wo der Metzger
begraben ist, und die beste Chance wäre vertan.
    Er ging systematisch vor, schritt die
erste — scheinbar unendlich lange — Reihe der Gräber ab und leuchtete auf die
Inschriften der Steine.
    Nach zehn Minuten wurde ihm ganz
dunstig im Kopf. So viele Namen. Neue Gräber neben alten, keine Ordnung nach
Jahren. Gut lesbare Inschriften und solche, die nicht mal ein Hellseher
entziffern konnte. Moosüberwucherte Steine, polierter Marmor und ab und zu
Holzkreuze.
    Ich kann nur hoffen, dachte er.
    Zweite Reihe der Gräber.
    Lampe an, Lampe aus.
    Plötzlich merkte er, daß der Schein
schwächer wurde.
    Waren die Batterien verbraucht?
    Sicherlich gehörte diese gewaltige
Stablampe nicht Alma — sondern zu Oswalds Einbrecher-Ausrüstung.
    Doch der Sohnemann saß seit fünf Jahren
ein. Lag die Lampe seitdem herum? Dann hatten die Batterien sich von allein
entladen, und jetzt...
    Verdammt! Er konnte zusehen, wie das
Licht seinen Saft verlor. Also Tempo! Von Grab zu Grab und...
    In diesem Moment hörte er das
Schnarchen.
    Licht aus!
    Grobalsky verharrte, traute seinen Ohren
nicht, trat vorsichtig auf, denn der Kies knirschte, und schlich näher.
    Das Schnarchen wurde lauter. Alma
schnarchte kräftiger, aber auch hier war einer am Werk, den Erschöpfung
niederhielt. Vielleicht ein Penner? Wer sonst! Einer ohne festen Wohnsitz. Und
dieser Mistkerl störte ihn bei der Schatzsuche!
    Grobalsky hatte sich bis auf etwa zehn
Schritte genähert, blieb stehen und überlegte.
    Ganz allmählich löste sich ein helles,
längliches Paket aus der Dunkelheit. Das war der Mensch — vermutlich ein Kerl.
Also hell gekleidet. Er lag dort auf einer Grabplatte und schien sich nicht zu
fürchten in dieser Umgebung. Vielleicht doch kein Penner, sondern ein
Betrunkener, der zuviel Wein in sich abgefüllt hatte in dieser stickigen
Sommernacht.

    Dann hat er den Heimweg nicht gefunden,
dachte Grobalsky, und schlägt hier seine Zelte auf. Unverschämt!
    Gerade als er ihn anleuchten wollte,
verstummte das Schnarchen.
    Der Hellgekleidete wälzte sich auf die
andere Seite, hüstelte und schien um sich zu greifen. Vielleicht suchte er die
Bettdecke, oder die Matratze war ihm zu hart.
    Jetzt wachte er auf. Ein langer Atemzug
verriet das Ende einer Schlafphase.
    Grobalsky duckte sich und war froh, daß
er den alten, tarnfarbenen Sommeranzug trug, in dem man ihn damals verhaftet
hatte.
    Der Schläfer setzte sich auf. Stöhnen.
Hartes Bett, was?
    Der Hellgekleidete entfernte sich
einige Schritte von seiner Lagerstatt und kam — verdammt! — direkt auf
Grobalsky zu.
    Doch jetzt blieb der Kerl stehen. Löste
er seinen Gürtel?
    Als das Plätschern zu hören war,
begriff Grobalsky, weshalb der Mann sich erhoben hatte. Er

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