Stimme aus der Unterwelt
mußte mal. Also doch
zuviel Wein. Und ausgerechnet in Grobalskys Richtung. Nur einen Meter näher — und
es wäre recht feucht geworden für ihn.
Grobalsky biß die Zähne zusammen und
senkte den Kopf, damit sein helles Gesicht ihn nicht verriet.
Aber der andere war offenbar so müde,
daß er seine Notdurft mit geschlossenen Augen verrichtete.
Dann schlurfte er durch den Kies zu
seinem Grab zurück und streckte sich aus.
Grobalsky hockte, kochte vor Wut,
wartete darauf, daß der Kerl wieder einschlief. Doch das dauerte.
Er wälzte sich, stöhnte, klopfte an
seinem Kopfkissen — vermutlich der Jacke — herum, räusperte sich, spuckte neben
sein Bett — äh — Grab, litt womöglich an Schlafstörung.
Grobalsky hockte. Sein linkes Bein
wurde taub. Blöde Haltung! Blut staute sich. Ein Nerv quetschte ab. Kribbeln in
der Hüfte. Gleich kippe ich zur Seite, dachte der Ganove. Dann begann der
Grabschläfer zu schnarchen, endlich.
Grobalsky richtete sich auf. Zwei Minuten
lang stand er auf einem Bein. Langsam kehrte Leben in das andere zurück. Das
Ameisenlaufen unter der Haut war so stark, daß er mit der Lampe auf den
Oberschenkel klopfte.
Dabei schaltete sie sich ein — zum
letzten Mal. Ein schwacher Lichtkegel fiel auf den Kies, dimmerte noch einen
Moment und erlosch dann wie eine Kerze im Sturm.
Grobalsky verbrachte zwei weitere
Minuten mit Zähneknirschen.
Aus und vorbei! Wo sollte er jetzt eine
Taschenlampe herkriegen? Erst im Morgengrauen konnte er die Suche fortsetzen.
Wann wurde es hell? Nicht vor vier. Bei dem inzwischen bedeckten Himmel
vielleicht erst um fünf. Jetzt war es noch nicht mal Mitternacht. Hier bleiben?
Vielleicht mit dem Betrunkenen um die Wette schnarchen? Nein!
Wütend schlurfte er zum Tor zurück.
Mißerfolg! Und es hätte so schön
gelingen können! Aber wer rechnet denn mit leeren Batterien und einem
Betrunkenen, der nachts auf dem Friedhof pennt!
Habe ich eine Wut! dachte der Ganove.
Das soll Holmann spüren. Ja, ich muß mich abreagieren. Den rufe ich gleich noch
mal an.
13. Nächtliche Runden per Rennrad
Tim war zu schnell. Er bemerkte die
Gestalt zu spät. Wie aus dem Boden gewachsen, tauchte sie vor ihm auf.
Der TKKG-Häuptling riß die Arme hoch.
Dann prallte er gegen das menschliche Hindernis, und der Mann flog in den
Chausseegraben. Ein Drahtesel polterte zu Boden. Tim stürzte über den Lenker,
machte das Beste aus dem Unglück, nämlich eine Judorolle vorwärts und kam
wieder auf die Füße — mit minimalen Abschürfungen an der Schulter. Aber das
Schienbein, mit dem er gegen den Lenker gestoßen war, schmerzte.
Klößchen, vor dem er landete, drückte
ihm die flache Hand vor die Brust. „Keinen Schritt weiter. Das... Ach, du bist
es, Tim. Wo ist denn der Kerl geblieben?“
„Hier“, sagte eine Stimme aus dem
Chausseegraben. „Was, um Himmels willen, geht da vor? Seid ihr Wegelagerer?“
„Sie wollten sich an dem Wagen zu
schaffen machen“, sagte Karl. „Aber um den zu bewachen, sind wir angerückt.“
Tim massierte seinen Unterschenkel. Die
Taschenlampe war weg. Verloren. Die lag irgendwo.
Während er den Boden abtastete, fragte
er: „Sind Sie verletzt? Ich wollte Sie nicht umrennen. Das ergab sich so, als
ich die Stimmen meiner Freunde hörte.“
„Ihr seid lebensgefährlich.“ Die Stimme
klang sympathisch, gehörte offenbar einem jüngeren Mann. „Nein, ich bin o.k.
Zum Glück hat mich weicher Boden aufgefangen. Hoffentlich ist mein Rennrad
heilgeblieben.“
„Rennrad?“ fragte Tim. In diesem Moment
fand er die Taschenlampe.
Der Mann hatte sich aufgerichtet und
stieg aus dem Graben. „Falls du nichts dagegen hast, du wildgewordenes Nashorn.
Ich drehe jeden Abend meine Runden durchs Tal. Das solltest du auch machen,
statt in der Disko eine Zigarette nach der anderen zu qualmen oder Haschisch zu
probieren. Radrennen ist ein sehr gesunder Sport. Vor allem für die Jugend.“
„Ich weiß“, sagte Tim. „Ich habe schon
18 Pokale gewonnen. „Elfmal Erster, zweimal Zweiter, einmal Dritter und vier
Mannschaftssiege.“
Er knipste die Lampe an. Sie
funktionierte noch. Der Lichtschein fiel auf das Rennrad. Es blitzte
metallisch, schien nicht beschädigt zu sein und war — selten bei Rennrädern — mit
einem Halogenscheinwerfer ausgerüstet.
Der Mann bückte sich, um sein Rad
aufzuheben, und geriet dabei in den Lichtkreis.
Tim sah, daß es sich um einen sehnigen
Mittdreißiger handelte, mit gebräuntem Gesicht. Ertrug eine bunte
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