Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Stimme aus der Unterwelt

Stimme aus der Unterwelt

Titel: Stimme aus der Unterwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
Vom Netzwerk:
setzte sich hinters Lenkrad und
ließ den Motor an. Der stotterte anfangs ein wenig, lief aber dann rund.
    „Ich bringe den Wagen zu Pauline“,
sagte der Arzt, „komme nochmal zurück und hole mein Rad. Nein, ihr braucht
nicht darauf aufzupassen. Hier steht es sicher. Das Mittelriß ist ein Sacktal.
Die Privatstraße führt zu den vier Anrainern, aber nicht weiter. Insofern ist
das auch bei Dunkelheit eine ideale Rennstrecke. Kein Autoverkehr, der mich
stört. Keine Abgase, die ich einatmen muß. Und auf die Wildtiere achte ich
gern. Es gibt hier viele Rehe.“
    Die Jungs verabschiedeten sich.
    Dr. Holmann fuhr los.
    „Ist das eigentlich mein Cousin?“
fragte Klößchen. „Irgendwie schon, nicht wahr? Aber um viele Ecken. Sei ‘s
drum. Ein Pfundskerl, finde ich. Der hätte, weiß Gott, eine andere Freundin
verdient. Ich würde nie eine nehmen, die nicht kocht.“
    „Erzähl’ das Sigi“, lachte Karl, „und
du bist sofort aus dem Rennen.“
     „Ob ich erbe oder nicht“, sagte
Klößchen, „ist überhaupt nicht mehr wichtig. Was mich aus den Socken haut, sind
die Erlebnisse hier. Der Überfall auf den Käsehändler. Sigis Bedrohung. Und
Paulines geraubter Schmuck.“
    „Sie nannte ihn ihren eiskalten Schatz“,
sagte Tim und erzählte. Dann: „Hoffentlich stimmt es, was der Taxifahrer behauptet,
nämlich, daß dieser Oswald Flinkfinger morgen seine Gefängnisstrafe beendet.
Von Pauline weiß ich, Oswald ist aus Bad Fäßliftl. Seine Mutter ist als Hexe
verschrien. Sie wohnt hier. Wenn wir Andy besuchen, werden wir bei ihr mal
vorbei schnüren.“
    „Wenn er wirklich der Täter war“,
meinte Karl, „und den Schmuck noch besitzt, ist bestimmt die Polizei hinter ihm
her.“
    „Sag das nicht. Fünf Jahre sind für die
Bürokratie ein Abgrund, der alles verschlingt. Da erinnert sich keiner mehr — ausgenommen
Wondraschek. Und daß der sich ein Bein ausreißt, bezweifle ich. Da dieser
Oswald fünf Jahre warten mußte, wird er jetzt nichts überstürzen. Ich sag’ ja
nicht, daß er uns an seine Brust drückt und das Versteck verrät. Aber wir sehen
uns um. Das ist immer gut.“
    Während sie marschierten, holte
Klößchen eine Tafel Schokolade hervor.
    Zweimal verschluckte er sich bei seiner
Zwischenmahlzeit. Tim klopfte ihm kräftig auf den Rücken.
    Klößchen hustete, daß ihm die Augen
tränten und er Sterne sah. Dann wies er nach rechts in die Dunkelheit.
    „Habe ich Funken auf den Glotzern — oder
sind das Lichter dort hinten?“
    Tim und Karl spähten.
    „Tatsächlich“, sagte Tim. „Noch ein
Anwesen. Es liegt nördlich von Sigi und dichter bei Bad Fäßliftl. Also muß es
Susis Haus sein. Vorher war dort noch kein Licht. Vermutlich ist sie jetzt erst
heimgekommen.“
    „Und als Blinde“, feixte Klößchen, „findet
sie sich nicht so gut zurecht. Ich wette, sie hat inzwischen den Polizeibericht
geschrieben. Hah! Ich möchte zu gern das Gesicht dieses Verbrechers sehen, wenn
er morgen die Zeitung liest.“
    „Vergiß nicht“, sagte Tim, „was sie
damit riskiert. Nur sie kann den Täter, dieses Dutzendgesicht, identifizieren.“
    Den Rest des Weges unterhielten sie
sich über Sigi. Sie beschlossen, ihn einerseits nicht unnötig zu reizen,
andererseits würden sie sich auch nicht zuviel bieten lassen. Einem Querkopf
wie ihm mußte man die Gelegenheit geben, neue Erfahrungen zu sammeln. Auch wenn
er schon 76 war — und nicht mehr in dem Alter, wo der Mensch sich leichter
formen läßt.
    „Sollte ich wirklich eines späten Tages
erben“, sagte Klößchen, „schlage ich Andy einen Wertausgleich vor. Ich käme mir
erbschleicherisch vor, wenn ich alles einheimse. Nein, er kriegt noch
mindestens einen der Oldtimer. Welchen, das entscheide ich morgen, wenn ich die
beiden begutachte. Außerdem kriegt er das alte Fahrrad. Als Rennfahrer hat er
Freude daran.“
    „Deine Großzügigkeit“, lachte Karl, „übertrifft
sogar deine Freßsucht. Andy wird sich freuen.“
    Als sie sich dem Haus näherten, sahen
sie, daß Sigi die Fenstervorhänge geschlossen hatte. Sie waren rot geblümt.
    Die Haustür war verriegelt.
    Holmann öffnete ihnen.
    Sein Gesicht unter dem Sonnenbrand
glühte vor Zorn. Rund um den englischen Schnurrbart gruben sich strenge Falten
in die Haut.
    „Jetzt hat’s dieser Kerl
fertiggebracht, daß ich Fenster und Türen verrammle. Weiß man, ob der durchs
Fenster schießt.“ Tim begriff sofort. „Hat er nochmal angerufen? Noch eine
Morddrohung?“
    „Eben. Dieselbe Stimme.

Weitere Kostenlose Bücher