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Stimmen der Angst

Stimmen der Angst

Titel: Stimmen der Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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zusätzlichen Halt im Rücken zu haben, statt gegen ihn ankämpfen zu müssen. Am Ende der langen Dachschräge angekommen, schwang er ein Bein über den First und blickte über die verschachtelte Dachlandschaft hinweg zur Vorderseite des Hauses.
    Skeet hockte rittlings auf einem parallel verlaufenden Dachfirst, dicht neben einem zweizügigen Schornstein, der wie ein dicker, gedrungener Glockenturm aussah. Auf diesem Stuckturm saßen zwei palladianische Säulenbögen aus Kalksteinimitat, die eine kupferverkleidete Kuppel im spanischen Kolonialstil trugen, und diese wiederum war von einem zwar verkürzten, aber sehr ornamentalen gotischen Spitztürmchen gekrönt, dessen Platz in diesem architektonischen Wunderwerk ebenso gut eine riesige Neon-Bierreklame hätte einnehmen können.
    Mit dem Rücken zu Dusty, die Knie hochgezogen, hockte Skeet da und beobachtete die drei Krähen, die über ihm kreisten. Er reckte ihnen die ausgebreiteten Arme wie zur Umarmung und zur Aufforderung entgegen, sich auf seinem Kopf und seinen Schultern niederzulassen, als wäre er kein Anstreicher, sondern der heilige Franz von Assisi, der sich mit seinen gefiederten Freunden unterhielt.
    Einen Fuß auf jeder Seite des Dachfirsts, bewegte sich Dusty watschelnd wie ein Pinguin zum Nordende des Hauses, bis er eine Stelle erreichte, an der ein niedrigeres, ost-westlich verlaufendes Dach bis unter das Gesims des Abschnitts reichte, auf dem er gerade balancierte. Das Gewicht nach hinten verlagert, weil ihn jetzt die Schwerkraft unerbittlich vorwärts zog, tastete er sich über die gewölbten Ziegel vom Dachfirst nach unten. Vor dem Rand hielt er geduckt inne, doch nach kurzem Zögern stieß er sich ab und sprang über die Regenrinne auf das knapp einen Meter tiefer gelegene andere Dach, wo er mit den gummibesohlten Schuhen auf je einer Schräge landete.
    Weil sein Gewicht nicht gleichmäßig auf beide Seiten verteilt war, drohte Dusty nach rechts zu kippen. Er bemühte sich, die Balance wieder herzustellen, merkte aber, dass er unweigerlich den Halt verlieren musste. Um nicht so weit in Schräglage zu kommen, dass ein Absturz nicht mehr zu vermeiden war, ließ er sich nach vorn fallen und landete bäuchlings auf dem schmalen Grat, wo er sich, das linke Bein und den linken Arm gegen die südliche Schräge, das rechte Bein und den rechten Arm gegen die nördliche Schräge gepresst, so krampfhaft festklammerte wie ein verzweifelter Rodeoreiter auf einem wild gewordenen Stier.
    Eine Weile blieb er so liegen und betrachtete nachdenklich das fleckige, mit einem Teppich abgestorbener Flechten überzogene Orangebraun der Dachziegel. Was er sah, erinnerte ihn an die Bilder von Jackson Pollock, obwohl er fand, dass dies hier künstlerischer, aussagekräftiger und interessanter fürs Auge war.
    Sobald es anfing zu regnen, würden die abgestorbenen Flechten aufweichen, und die gebrannten Ziegel würden sich mit einem gefährlich glitschigen Film überziehen. Er musste bei Skeet sein und ihn vom Dach holen, bevor der Sturm losbrach.
    Mit diesem Gedanken kroch er weiter bis zu einem kleineren Glockenturm.
    Dieser Turm besaß keine Kuppel; mit seinem hoch aufragenden konischen Dach sah er eher wie ein Miniaturminarett aus. Er war mit Keramikfliesen verkleidet, die das traditionelle islamische Ornament des Paradiesbaums zeigten. Da die Hausbesitzer keine Muslime waren, hatten sie dieses exotische Zierwerk offensichtlich gewählt, weil sie es optisch besonders reizvoll fanden – obwohl hier oben allenfalls Dachdecker, Malerleute und Schornsteinfeger nah genug herankamen, um es bewundern zu können.
    An diesem Zweimeterturm zog Dusty sich hoch, tastete sich mit den Händen unter dem Rand des konischen Dachs von einer Zugöffnung zur anderen und balancierte so um den Turm herum, bis die nächste freie Dachstrecke vor ihm lag.
    Er setzte wieder einen Fuß auf jede Seite des Firsts und rannte geduckt zur nächsten albernen Glockenturmimitation, die wiederum mit dem Paradiesbaummotiv verziert war. Er kam sich vor wie Quasimodo auf den Dächern von Notre-Dame: vielleicht nicht gar so hässlich wie dieser bedauernswerte Bucklige, dafür aber auch nicht annähernd so behände.
    Nachdem er sich auch um diesen Turm herumgeschoben hatte, setzte er seinen Weg über das ost-westlich verlaufende Dach fort, das unter der Traufe des Nordsüddachs am zur Straße hin gelegenen Haupttrakt der Residenz endete. Skeet hatte eine kurze Leiter als Aufstiegsrampe vom niedrigeren First zur

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