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Stimmen der Nacht

Stimmen der Nacht

Titel: Stimmen der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Ziegler
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– unsere Furchtlosigkeit. Atomkrieg? Von mir aus! Weltweite Zerstörung? Na und! Die Länder wüst, die Wälder verbrannt, alles Leben ausgelöscht? Pah! Wir haben Material zur Menschenzucht, wir haben Tiere in unserer Bunkerarche, wir haben Baumschößlinge und Pflanzensamen und fetten Mutterboden, gute deutsche Erde … Wir werden überleben, und nach dem Krieg, wenn jeder und alles tot ist, werden wir hinauf zur Oberfläche steigen. Wir werden die Wüste in einen Garten verwandeln und auf allen Kontinenten herrschen. All das weiß die Welt, und deshalb wird die Welt zurückweichen. Verstehen Sie, Mr. Gulf? Begreifen Sie jetzt? Gleichgültig, was passiert, wir werden siegen. Es spielt keine Rolle, wie. Ob nun durch einen Atomkrieg oder durch die Feigheit unserer Feinde.«
    Holocaust, dachte Gulf. Der Atomkrieg als Fortsetzung von Auschwitz mit anderen Mitteln. Und Bormann hat recht, wenn er sagt, daß es für ihn und die anderen hier gleichgültig ist, was passiert. Nur in einem irrt er: Es wird keine Sieger geben, sondern nur Verlierer. Denn selbst wenn die Amerikaner, die Briten, die Franzosen und Russen zurückweichen und den Nazis das alte Reich überlassen – es ist nur ein Aufschub. Früher oder später wird Bormann dieses Spiel wiederholen. Er wird es so lange wiederholen, bis es keinen Aufschub mehr geben kann. Und genau das weiß man in Washington und Moskau. Deshalb wird die Welt brennen. Keiner weicht zurück.
    »Sie werden sterben«, sagte er laut. »Sie alle werden dort unten in Ihrem Bunker sterben. Und sollten einige überleben, dann wird der Tod sie holen, wenn sie den Bunker verlassen. In einem Atomkrieg gibt es kein Danach, nur den Tod für alle. Die Anden werden schmelzen, wenn die Megatonnenbomben fallen, und Ihr Bunker wird mit ihnen schmelzen. Und selbst wenn der Bunker standhält – wenn er wie durch ein Wunder alles übersteht – was werden Sie tun in all den Monaten und Jahren, in denen Sie darauf warten, daß die Erde wieder bewohnbar wird?«
    Er sah sich in der Runde um, aber niemand hörte ihm zu; ihre Gesichter waren ihm zugewandt, ihre Augen auf ihn gerichtet, doch sie hörten ihn nicht. Trotzdem sprach er weiter. Er mußte versuchen, zu ihnen durchzudringen, auch wenn es hoffnungslos war. Er hatte nichts mehr zu verlieren, nur zu gewinnen.
    »Ich werde Ihnen sagen, was Sie tun werden. Das, was Sie immer getan haben: Erschießen und Erhängen und Vergasen und Vergiften und wieder Erschießen und Erhängen und Vergasen und Vergiften, bis niemand mehr übrig ist. Sie werden sich dort unten gegenseitig umbringen. Sie werden …«
    Er verstummte.
    Kälte strich durch den Raum.
    Ein Schatten legte sich über den Tisch.
    Und aus dem Schatten eine Stimme … diese eine maßlose Stimme, die einst im Berliner Sportpalast die Massen verhetzt hatte …
    »Der Doktor!« keuchte Barbie. »Er ist es wirklich! Es ist der kleine Doktor!«
    »Zehn Fragen«, donnerte Joseph Goebbels, »zehn Fragen möchte ich an euch richten, die ihr mit dem deutschen Volk vor der ganzen Welt beantworten müßt, und ich frage euch: Wollt ihr das?«
    »Ja«, stieß Barbie hervor, »ja, ja, ja!«
    Und Bormann schrie: »Ja, frage uns! Frage uns!«
    Und die Männer sprangen alle auf, drehten sich, schrien durcheinander, rasten verzückt.
    »Ich frage euch«, rief ihnen Goebbels aus den Schatten zu, »ich frage euch: Glaubt ihr mit dem Führer und mit uns an den endgültigen, totalen Sieg der deutschen Waffen? Und seid ihr entschlossen, dem Führer in der Erkämpfung des Sieges durch dick und dünn und unter Aufnahme der schwersten persönlichen Belastungen zu folgen? Seid ihr das? Seid ihr bereit, mit dem Führer diesen Kampf mit wilder Entschlossenheit und unbeirrt durch alle Schicksalsfügungen fortzusetzen, bis der Sieg in unseren Händen ist? Und seid ihr und das deutsche Volk entschlossen, wenn der Führer es einmal in der Notzeit befehlen sollte, zehn, zwölf, wenn nötig vierzehn und sechzehn Stunden täglich zu arbeiten und das Letzte für den Sieg herzugeben? Seid ihr dazu bereit? Ich frage euch: Seid ihr dazu bereit? Wollt ihr den totalen Krieg? Wollt ihr ihn, wenn nötig, totaler und radikaler, als wir ihn uns heute überhaupt erst vorstellen können? Und vertraut ihr dem Führer? Ist eure Bereitschaft, ihm auf allen seinen Wegen zu folgen und alles zu tun, was nötig ist, um den Krieg zum siegreichen Ende zu führen, eine absolute und uneingeschränkte? Seid ihr von nun an bereit, eure ganze Kraft

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