Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Stimmen

Stimmen

Titel: Stimmen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
Vom Netzwerk:
vielleicht waren die Waffen schon in Aktion getreten. Was würde er vorfinden, wenn er ins Haus ging?
    Jetzt bedauerte er, dass er seine Trans-Apparate zertrümmert und auch kein Handy dabeihatte. Verrückte Gedankengänge, Verfolgungswahn, Wahnsinn. AH das bringt einen in Schwulitäten, wenn wirkliche Notsituationen auftauchen. Die Telefone im Flaubert-Haus konnte man nur anwählen, wenn man die vierstelligen persönlichen Zifferncodes kannte. Selbstverständlich gab es hier auch Notruftasten, über die man die Polizei alarmieren konnte, aber weder Joseph noch Michelle hatten ihm mitgeteilt, wo sie sich befanden.
    »Joseph, hier ist Peter!«
    Der Eingangsbereich wirkte wie eine undurchdringliche, düstere Mauer. Als Peters Augen sich angepasst hatten, sah er direkt vor sich eine kleine rote Diode wie das Auge einer Ratte funkeln – möglich, dass sie zur Schalttafel für die Alarmanlagen gehörte, die sich unterhalb der Treppe befand. Er versuchte sich an die Anordnung aller Schalttafeln und Überwachungsgeräte zu erinnern, aber es gelang ihm nicht, denn damit hatte er nie zu tun gehabt. Zum Dieb, der in Häuser einsteigt, oder Spion war er keineswegs geschaffen.
    Als er ins Haus trat, machte er sich gar nicht erst die Mühe, die Tür hinter sich zu schließen. »Am besten, irgendjemand kommt herunter und hilft mir aus der Patsche. Sonst drehe ich mich einfach um und gehe wieder, in Ordnung?«
    Er kam sich vor wie ein Idiot. Nur eines konnte noch schlimmer sein, als so dummes Zeug daherzuschwätzen: eine Situation, in der er dies den Leichen seiner Freunde erzählte, während sie, alle viere von sich gestreckt, im Dunkeln lagen, mit weggepusteten oder eingeschlagenen Schädeln. Er konnte nicht verschwinden, ohne wenigstens versucht zu haben, das aufzuklären, was hier geschehen war. Und selbst wenn es ihm nicht gelang, konnte er sicher irgendeine Notruftaste finden und die Polizei alarmieren, denn das hier sah längst nicht mehr nur nach einer schlimmen Sache aus, es war eine schlimme Sache.
    Als das rote Rattenauge plötzlich zu funkeln aufhörte, verharrte Peter und hielt den Atem an. Mühelos gelang es ihm, sich einzureden, dass er nicht allein im Haus war. Denn irgendetwas war an der Diode vorbeigestrichen.
    Blitzschnell tauchte ein Grundriss in seinem Gedächtnis auf. Sein inneres Auge sah, wo sich die Lichtschalter im Eingangsbereich befanden: an der rechten Wand, unmittelbar vor der Stelle, an der man um die Ecke zu einem kleinen Arbeitszimmer abbog. Peter bewegte sich nach rechts und tastete sich an der Wand entlang. Als seine Finger über die Farbe strichen, machten sie leise Geräusche. Gleich darauf prallten sie so heftig gegen die Holzverkleidung, dass ihm der Schmerz durch die Knöchel fuhr. Ein kleiner Tisch blockierte ihm den Weg. Während er stehen blieb und die Umgebung abtastete, stieß er gegen eine Vase, die sich drehte und wackelte. Irgendetwas strich über seinen Arm: Blumen. Als er unbeholfen danach griff, konnte er gerade noch verhindern, dass die Vase herunterfiel, aber die Blumen und das Wasser verteilten sich auf dem Fußboden.
    Das rote Lämpchen reagierte darauf, indem es aufblinkte, wurde aber gleich wieder trübe, als hätte sich ein dunkler, transparenter Schatten zwischen Peter und die Diode gelegt und glitte durch den Raum. Inzwischen mussten sich seine Augen eigentlich an die Dunkelheit gewöhnt haben. Er schlängelte sich um den Tisch herum, bis er die Lichtschalter gefunden hatte, schob alle fünf Zapfen hoch und drehte sicherheitshalber auch noch am runden Plastikknopf des Rheostaten.
    Es dauerte schrecklich lange, bis der ganze Raum erhellt war – jedenfalls kam es ihm so vor. Das Licht drang in öligen Wellen von den Deckenlampen und einem Kronleuchter aus Kristall herab, legte sich über Eingang und Treppe und glitt über jede einzelne Stufe bis zum mit Marmor gefliesten Fußboden, der aufglänzte wie mit Milch übergossen.
    Als das Licht einen Umriss am Fuß der Treppe umspielte, trat eine dunkler getönte Form von leerer Luft hervor, die an dieser Stelle stillzustehen schien, ungefähr so groß wie ein geduckter Grizzlybär. Gleich darauf erfasste das Licht auch diesen Umriss, und er verschwand. Peter zwinkerte, um den Schweiß loszuwerden, der sich in den Augenwinkeln gesammelt hatte.
    Das, was hier direkt vor seinen Augen abgelaufen war, hatte nur den Bruchteil einer Sekunde gedauert, dennoch hatte er den Umriss genau gesehen und war sicher, dass hier etwas nicht

Weitere Kostenlose Bücher