Stimmen
Bigbands und Jazz der Fünfzigerjahre bis zum frühen Coltrane. Nicht einmal Monk hatte er gemocht.
Irgendwie musste Peter sich erst an den Gedanken gewöhnen, das Haus für sich zu haben. Immer wieder hatte er das Gefühl, Phil werde gleich auftauchen, grinsen, sich bei ihm entschuldigen, ihn anschließend durchs Haus führen, Bücher aus den Regalen ziehen und ihre Plastikhüllen entfernen, um zärtlich über seine vielen kleinen Kostbarkeiten zu streichen.
Auch Phil hatte an materiellen Dingen gehangen, aber auf andere Weise als üblich. Was ich brauche, sind Ideen, Geschichten, Musik. Alkohol, Diamanten, selbst Frauen sind gar nichts dagegen. Seiten voller gedruckter Worte und Vinylscheiben sind für einen Kerl wie mich die besten Freunde, hatte Phil ihm einmal anvertraut.
Nachdem Peter die Küche gefunden hatte, füllte er einen Plastikbecher mit Leitungswasser. Auf der Anrichte stand, ordentlich aufeinander gestapelt, sauberes Geschirr. Zum Glück hatte Phil keine Katzen oder Hunde gehalten, aus Haustieren hatte er sich nie viel gemacht. Die meisten Schränke in der Küche waren mit Groschenheften voll gestopft, mit G-8 and His Battle Aces, The Shadow und dicken, gebundenen Ausgaben von Amazing Stories. Ein kleines Eckregal hatte Phil für Schachteln mit Frühstücksflocken und drei weitere Plastikbecher reserviert. Der Kühlschrank enthielt ein Sechserpack billiges Bier, Becher mit Vanillepudding, Joghurt und eingelegte Muscheln in Plastikbeuteln. Leichte Kost.
Phil war immer ganz wild auf Kartoffelbrei gewesen.
Peter suchte nach Kaffee oder Tee, er brauchte etwas Warmes.
Schließlich fand er eine Dose mit Pulverkaffee und einen Kaffeebecher, die unmittelbar nebeneinander auf dem Fensterbrett über der Spüle standen. Nachdem er einen Topf mit Wasser zum Kochen aufgestellt hatte, zog er sich einen altmodischen Tritthocker heran, nahm seufzend darauf Platz und wischte sich mit einem feuchten Papierhandtuch die Anstrengungen der langen Fahrt aus den Augen. Eigentlich wollte er gar nicht im Haus übernachten, aber für ein Motel fehlte ihm das Geld. Das Sofa sah nicht gerade einladend aus. Längst konnte Peter nicht mehr einfach irgendwo schlafen. Seine Muskeln verspannten sich, wenn er falsch lag. Schließlich schaltete er, den Kaffeebecher in der Hand, in Küche, Diele und den hinteren Schlafzimmern die Deckenbeleuchtung ein und inspizierte jeden Raum, bis er zu Phils Schlafzimmer gelangte. Dort standen weitere Regale, die meisten noch neu und leer, als warteten sie nur darauf, Bücher und Zeitschriften aufzunehmen. Das Zimmer wirkte nicht chaotisch, sondern eigentlich recht aufgeräumt. Spartanisch. Irgendjemand hatte das Bett gemacht, das fast Doppelbreite hatte.
Phil tat das nie.
Peter knirschte mit den Zähnen. Lydia hatte nicht gesagt, wo man Phil gefunden hatte. Das Zimmer roch ganz normal. Dennoch entschied er sich dagegen, hier zu schlafen. Nachdem er sich aus dem Dielenschrank Decken geholt hatte, ließ er sich widerwillig auf dem Sofa nieder. Das Fenster ging schräg auf die Bucht von San Francisco hinaus, wobei das Sichtfeld von zwei Weiden eingerahmt wurde, die weiter unten an der Straße standen. Es war ein schöner Ausblick.
»Herrgott noch mal, Phil«, murmelte Peter. »Falls du zurückkommst, vermöble ich dich eigenhändig. Ich hau dir eine runter, mitten ins Gesicht, das schwör ich bei Gott. Du hättest mir sagen sollen, dass du krank bist.«
Er war so müde. Entgegen aller Vernunft und aller guten Vorsätze hoffte er immer noch, Phil irgendwo im Haus zu finden, damit sie eine einzige, letzte Minute miteinander verbringen konnten. »Wo steckst du, Kumpel?«
Er trank den Kaffee aus, der inzwischen kalt geworden war. Koffein wirkte bei ihm zwar kaum, trotzdem bezweifelte er, dass er in dieser Nacht viel Schlaf finden würde. »Komm schon, Phil«, bettelte er, wobei seine Stimme in dem großen Wohnzimmer so zaghaft wie die eines kleinen Vogels klang. »Nur noch ein letztes Mal. Zeig dich und sorg dafür, dass mir das Herz stehen bleibt. Lass mich nicht im Stich.«
Er lehnte sich zurück und deckte sich mit einer kurzen Wolldecke zu. Immer wieder wälzte er sich auf den alten Polstern hin und her und streckte die Beine, weil es in seinen Knien kribbelte. Schließlich kam der Schlaf, allerdings ein sehr unruhiger. Als er irgendwann mit voller Blase wieder aufwachte, stand er auf, stolperte um die Kartons herum und machte sich auf den Weg durch den langen Gang. Ich hob keine Angst im
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