Stimmen
verbunden hatte. Er sah, wie den Umstehenden Tränen in die Augen stiegen, und spürte, wie ihm selbst dabei die Kehle vor Erschütterung eng wurde. Keiner der Anwesenden hatte Phil wirklich gut gekannt. Phil war nicht so berühmt gewesen, dass irgendjemand aus seiner Bekanntschaft hätte Vorteile ziehen können, und hatte sich zu selten in der Stadt aufgehalten, um dort einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen. Niemand hatte von diesem Haus gewusst.
Anschließend standen sie herum und aßen Sandwiches und Kartoffelsalat von angeschlagenen Tellern, die aus Phils Anrichte stammten. Die zwei schwulen Schriftsteller nutzten die Gelegenheit, um draußen auf der Veranda zu rauchen.
Die vier Männer, die Peter nicht kannte, brachen schnell auf, nachdem sie gemerkt hatten, dass man ihnen nichts Alkoholisches anbieten würde. Phil wäre auch gegangen, dachte Peter. Als die beiden Schwulen von der Veranda zurückkehrten, wollten sie sich im Haus umsehen, um die Kunstgegenstände, alte Krimi-Groschenhefte und Phils Bücher zu begutachten, doch Peter hielt sie höflich davon ab, indem er erklärte, die besten Sammlerstücke seien bereits in Kartons verstaut, es gebe nicht mehr viel zu sehen. Phil hätte etwas dagegen gehabt, dass Fremde seine kostbaren Besitztümer befingerten. Lydia war so höflich, die beiden, die leicht beleidigt wirkten, die Auffahrt hinunter bis zu ihrem Wagen zu begleiten.
Die biederen jungen Frauen blieben noch, um abzuwaschen und aufzuräumen. Erst als Peter ihnen half, die alten Teller in der Geschirrablage neben der Spüle aufzureihen, stellten sie sich vor. Die Rothaarige mit dem pausbäckigen freundlichen Gesicht hieß Hanna, die Frau mit dem mausgrauen Haar und dem friedfertigen leeren Gesichtsausdruck Sherry.
»Wir haben nur ein paar Mal mit ihm geredet und kannten ihn kaum«, erklärte Hanna, was Sherry nickend bestätigte. »Er war nett. Sherry würde gern schreiben, aber bis jetzt haben wir beide kaum etwas veröffentlicht.«
»Wir führen Tagebücher«, bemerkte Sherry.
»Wir schreiben nicht so wie Phil, es sind keine echten Romane«, fügte Hanna hinzu.
Kurz darauf kehrte Lydia in die Küche zurück und nahm auf einem Hocker Platz. »Das wäre erledigt«, seufzte sie.
»Wo ist Phil eigentlich gestorben?«, fragte Peter.
»Spielt das noch eine Rolle? Mein Gott, Peter.« Lydia starrte ihn mit großen Augen ausdruckslos an. »Sie haben’s mir nicht verraten – ich meine die Jungs, die die gerichtsmedizinische Untersuchung durchgeführt haben. Und die Polizisten auch nicht.« Sie fuhr sich mit der Zunge an die Schneidezähne und entfernte mit dem Fingernagel ein Salatblättchen. »Jedenfalls nicht in diesen Räumen, wie ich annehme«, fügte sie leiser hinzu.
Hanna und Sherry verzogen die Lippen und tauschten Blicke aus.
Peter nahm Lydia zur Seite und führte sie ins Wohnzimmer. »Hast du hier gestern irgendetwas getan, das ich wissen sollte?«
»Wieder so eine seltsame Frage. Übrigens siehst du auch seltsam aus, Peter.«
»Dann heitere mich auf.«
»Ich hab, wie gesagt, von hier aus alles Nötige veranlasst. Irgendwann hat mich kurz der Kummer gepackt, und danach hab ich alles für diese Gedenkfeier, diese wirklich traurige kleine Party vorbereitet. Als du hier ankamst, war ich fix und fertig. Was ist eigentlich mit dir los?«
»Weiß ich auch nicht«, erwiderte Peter. Hanna und Sherry, die an der Durchreiche der Küche standen, warfen einander viel sagende Blicke zu.
Lydia fröstelte plötzlich. »Lass mich bloß mit deinen Schauergeschichten in Ruhe. Das Haus ist so schon unheimlich genug. Ich will hier nicht länger bleiben als unbedingt nötig.«
Auch Peter spürte die merkwürdige Atmosphäre, die ihn an das erinnerte, was er während der Herfahrt im Porsche empfunden hatte. Jegliche Geräusche fehlten. Es herrschte hier eine so tiefe Stille, dass einem selbst das Schweigen laut vorkam.
»Glauben Sie, dass Phil noch hier ist?«, fragte Sherry leise, vergeblich um Feingefühl bemüht. Sie wurde rot.
»Vielleicht wäre er gern bei seinen Büchern und Zeitschriften geblieben, nicht?«, bemerkte Hanna. »Es ist eine so wunderbare Sammlung.«
»Im Haus ist es sehr still, man hört keine Geräusche, stimmt’s, Peter?«, fragte Lydia.
»Weitgehend schon.«
Lydia sah ihn mit zusammengekniffenen Augen an. »Wie immer Phil auch gewesen sein mag, still war er jedenfalls nicht.« Sie ging zum Kaminsims hinüber und strich mit ausgestrecktem Finger über die Urne. »Wenn er
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